Der Tag, an dem ich Vanilla Coke probierte

Ich habe ein Baby zum Heulen gebracht. Das war nicht schön. War auch nicht meine Absicht, aber die Dinge haben sich den ganzen Tag über auf diesen Moment hin entwickelt. Da bin ich mir ganz sicher.

Zunächst weckte mich die Liebste mit ihrem Anruf und bat um Tröstung. Eigentlich wollte ich ja in eine Pressevorführung, stattdessen aber nicht ins Kino, sondern Parkspaziergang. Ecken vom Volkspark Freidrichshain gesehen, die mir unbekannt waren. Auch Ecken, in denen ich Nachts nicht hingehen werde, aber das ist ein anderes Thema. Oben auf dem Berg konnte man runtersehen, Dinge schienen leichter, die Liebste lachte wieder.

Wir hatten Hunger und holten im Supermarkt Nahrung. Ich kaufte Zigaretten und eine 1 Liter PET Flasche „Vanilla Coke“ – und damit fing das Elend an. Ich hatte Tage zuvor diese Warnung von Nico gelesen, war dann aber doch interessiert. Der Geruch beim Öffnen der Flasche zunächst wie bei einer normalen Coka. Im Glas entfaltet sich schon eine leichte Vanille-Blume und der erste Schluck: zunächst nichts besonderes – aber im Abgang dann ganz klar Vanillegeschmack. Dass das „weicher“ schmecken soll, finde ich nicht. Gekühlt verstärkt sich der Vanillegeschmack allerdings. Dann der Zigaretten-Check: Ich trinke Cola wenn dann ganz gerne zusammen mit einer Zigarette, weil ich finde, dass schmeckt ein bischen nach Hasch. Mit Vanilla Coke ist dieser Effekt nicht so gut. Soweit der Geschmack, so weit okay.

Jetzt die ungeahnten Nebenwirkung: Nachdem ich wieder in Kreuzberg war, fing die Vanilla Coke an zu wirken. Ich musste einen äußerst offenen und liebenswerten Eindruck gemacht haben. Denn es fragten mich diverse Leute auf der Straße Dinge, die ich auch beantworten konnte. Besonders dankbar die Araber, die „die runde Kirche“ suchten und die spansichen Touristen, die an der U-Bhf. Gneisenaustraße wissen wollten, wo denn hier der Hackesche Markt sei. Pfeiffend und froh ging ich durch die Straßen, half hier und besänftigte dort. Euphorisiert durch meine Hilfbereitschaft, die ganz klar bedingt durch die Cola war, kaufte ich dann noch spontan eine CD, ohne sie vorher zu hören, was manchmal kein Fehler sein kann („Stratosphärenlieder“ von Peter Licht – gewöhnungsbedürftig, muss man sich erstmal in die Texte reinhören, beim Dritten hören dann ganz gut).

Im Treppenhaus jedoch das Unglück. Zwei Stockwerke unter mir wohnt eine junge Familie mit Baby. Als ich die Treppen hochging, hörte ich es bei denen in der Wohnung klingeln, und jemand öffnete die Tür. Als ich um den Treppenabsatz kam, rief weiter unten die Mutter, in der Tür stand der Vater mit dem Baby auf dem Arm. Das freute sich. Bis es mich sah. Zuerst ungläubig, dann enttäuscht fing es an zu brüllen und brüllte noch lauter, als ich vorbei weiter nach oben stieg. Selbst als die Mutter hinter mir kurz darauf das Stockwerk erreichte, wollte es nicht aufhören (ich höre es übrigend jetzt auch gerade wieder schreien). Meine Vanilla-Coke geschwängerte, positive Aura musste nachgelassen haben. Ich muss ausgesehen haben wie ein Vanillejunkie auf der Suche nach dem nächsten Vanilla-kick. Dabei wollte ich doch nur kurz einmal neugierig sein. Das war am Montag. Ich habe ein Baby zum Weinen gebracht. Und ich trau mich nicht, diese Colaflasche wieder anzufassen, vielleicht passiert noch Schlimmeres?

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