Auswege

Österreich 2003 – Regie: Nina Kusturica – Drehbuch: Barbara Albert – Kamera: Tim Tom – Produktion: Stefan Pfundner – Darsteller: Liese Lyon; Manfred Stella; Mira Miljkovic; Igor Bararon; Dagmar Schwarz; Kurt Huemer; Isabella Campestrini; Lara Felsenreich – 90min
:::: gesehen am 20.1.2004 – Pressevorführung Berlinale / 34. Int. Forum

Es ist nichst Neues, dass sich um die Filmemacherin Barbara Albert, die mit „Nordrand“ (1999) international bekannt wurde, in den letzten Jahren eine Gruppe vielversprechender Nachwuchstalente versammelt hat, die dem Österreichischem Film gut zu Gesicht stehen. Mich erstaunt aber immer wieder von Neuem, mit welcher Intensität dieses junge Österreichische Kino das Land unter die Lupe und teilweise gnadenlos auseinander nimmt. So auch der Abschlußfilm der in Sarajevo aufgewachsenen Nina Kusturcia, die an der Filmakademie Wien studierte.

„Versuchen Sie einmal, von einem Planeten zu flüchten“, meint ein geschwätzige Taxifahrer fast am Ende des Films, und ist der Meinung, die Erde sei ein Gefängnis. Was er nicht weiss, ist, dass er gerade Margit – auf der Flucht vor ihrem Mann – in ein Frauenhaus fährt. „Auswege“ behandelt das Schicksal dreier Frauen. Claudia, Margit und Sladjana, drei sehr unterschiedliche Frauen, haben eines gemeinsam: Die tägliche Begegnung mit Gewalt im eigenen Heim. Das Muster ist immer das Gleiche: Gewalttätige und eifersüchtige Ehemänner oder Lebensgefährten, die sowohl Frau, als auch Kinder wegen Nichtigkeiten schikanieren. Männer am Rande des Nervenausbruchs, Frauen vor der Zerreißprobe Familienhölle. Und die heikle Frage, wann hat das Verzeihen ein Ende wann ist es Zeit zu gehen?

„Wie viele Leute wissen denn, was in der Wohnung nebenan passiert? Ich möchte Filme machen, die sich von der Realität nicht viel entfernen, wo sich aber trotzdem noch etwas auftut.“ (Nina Kusturica)

Laut Schätzungen ist in Österreich jede fünfte Frau von Gewalt durch ihren Ehemann oder Lebensgefährten betroffen. Nicht der dunkle Park, sondern das eigene Heim ist der gefährlichste Ort. Der „Verein Autonome österreichische Frauenhäuser“ ist mit diesem Thema an die Wiener Regisseurin Barbara Albert herangetreten, die das Drehbuch geschrieben hat. In einem Interview meinte sie dazu, es gehe nicht darum, die Geschichte von Frauen, die in Gewaltbeziehungen leben müssten, für diesen Film auszubeuten und reißerische Bilder zu zeigen oder Männer zu denunzieren. Vielmehr sollte die Geschichte Frauen nicht als Opfer zeigen, sondern ihre Stärken hervorheben; Chancen sollten aufgezeigt werden.

Erschütternd ist der Film, doch ob er wirklich Auswege aufzeigt, sei dahin gestellt. Der Film zeigt zunächst einen sozialen Misstand, Machtgebären und Abhängigkeiten auf. Immer wieder die Unentschlossenheit und Hoffnung der Frauen, der Mann möge sich doch bessern, damit die Beziehung nicht aufgegeben werden muss. Da lebt der Zuschauer das Leid mit, und besonders dann, wenn es doch immer wieder zu Ausfällen der Kotzbrocken kommt. Aber der einzig Ausweg, der sich auftut, ist es, die Nummer des Frauenhauses zu wählen. Das kommt inszenatorisch ein bißchen, wie in einem Propaganda – äh, Verzeihung – Werbefilm rüber. Der Erfinder des Gedanken ist ersichtlich, die Botschaft ist rüber gekommen. Dazu greift Nina Kusturica gelegentlich auf eine ausgebrauchte Symbolsprache zurück, als ob sie der Schlagkraft ihres Filmes nicht trauen würde. Besonders dann, wenn die Wege der Frauen in die neue Freiheit gehen, wird das Geschehen noch mit Symbolik aufgeladen, die so platt nicht nötig wäre, da der Zuschauer eh schon bei der Sache ist. Wenn Margit z.B. endlich ihren Mann verlässt, ist das eigentlich schon befreiend genug für sie und den Zuschauer. Aber neben ihrer Reisetasche nimmt sie eine kleine Pflanze mit, die sie vor dem Wind schützen muss. An diesen (wenigen) Stellen unterschätzt der Film sich selber und greift auf Klischeedarstellungen zurück, die ärgerlich sind und der an sich stilsicher realistisch gehaltenen Inszenierung widersprechen. Insgesamt aber ein beachtlicher Debutfilm, mit tollen Schauspielern und einem aufreibendem, sozialkritischen Thema.

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