Kein guter Tag für Kino

So viel, wie heute, ist aus der Sicht des Filmvorführes mir lange nicht mehr schief gegangen, und ich weiß gar nicht mehr, wo die Kettenreaktion anfing, wo das alles los ging und warum.

Erstmal natürlich das Übliche: Filme für heute waren von den Kollegen gestern nicht vorbereitet worden. Das lag wohl aber auch daran, weil wegen der Fassbinder-Retro gerade alle Filmspulen des Kinos genutzt werden, jetzt wirklich alle immer in Gebrauch sind und keine Filmspule mehr Luft ist, nicht mal die eigentlich kaputten, ausgelagerten vom Dachboden – alles im Betrieb. In unserem kleinsten Vorführraum, dem für Saal 3, habe ich heute 22 Filme lagernd gezählt. Soviel spielbereite Filme stehen vielleicht normalerweise in einem handelsüblichen CinemaXX rum. Und von fast allen wusste man, dass die Filme auf den Spulen noch mal eingesetzt werden, also nicht entkoppelt werden sollen, um die Spule frei zu geben für noch andere Filme, die aber vorher im Programm stehen. Ich würd mal denken, kleiner Denkfehler in der Disposition.

Egal. Nun war aber einer der ersten Filme für den Nachmittag noch nicht so richtig vorbereitet (wie es nötig wäre, wenn man alle 3 Säle alleine bedient) und durch Spulenmangel musste ich improvisieren, was – ach lange Rede – wenn man anfängt zu improvisieren, kommen Fehler eingeschlichen: Filmriss in Saal 1, genau in einer zeitlich engen Situation, als ich schon zu spät Saal 3 anschaltete (weil da doch noch zahlendes Publikum mit 10 Minuten Verspätung kam) und gleichzeitig in 5 Minuten Saal 2 eigentlich starten sollte. Himmel!

Es ging so den Abend weiter, aber später dann auch nicht nur mir alleine. Was mir jedoch bisher noch nicht passiert war: Filme gezeigt, nicht passend zum Publikum – da gab es einen Saalwechsel, der im Kassensystem wohl berücksichtigt wurde, dem das Publikum gefolgt ist – nur bei mir auf meiner Dispo ist das nicht angekommen, dass die 20h Vorstellungen von Saal 2 und 3 tauschen. Lustige Aufregung im Publikum, bis dann alle ihren Platz hatten, beide Säle zurückgespult und neu eingelegt und gestartet waren – halbe Stunde Verspätung… Während dessen kämpfte mein Kollege in Saal 1 mit den beiden Stummfilmen und widersprüchlichen Reihenfolge der beiden Filme – was aber wichtig, weil Live-Musikbegleitung durch Piano und Kinoorgel.

Wenn erstmal der Wurm drin ist… Alles auf der 22h Schiene hatte ordentlich Verspätung, Tonprobleme gab es auch noch, 22h musste auch noch von 16mm gezeigt werden, was zusätzliche Konzentration erfordert und ach, wenn man erstmal schon von dem ganzen Rumgerenne ohne Pause und Essen nach 9 Stunden müde ist, passieren Flüchtigkeitsfehler, die keinem auffallen, den Filmkopien aber auch nicht gut tun. Nun war’s dann schon 23h und noch keiner der 3 noch für morgen vorzubereitenden Filme angegangen. Spät wurde das.

Schön war, dass A. uns besuchen kam. A. ist Berlin-Türke, der da im Kino auch mal als Filmvorführer gearbeitet hatte, dann aber knapp 6 Monate in Brasilien war, bei der Brasilianerin, die er im Spätsommer in Berlin geschwängert hat und so, jetzt also die junge Familie in Brasilien. Jedoch, um die Deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, darf man nicht länger als 6 Monate weg aus Deutschland sein. Also zurück in Berlin, denn als Türke möchte er nicht nach Brasilien immigrieren. Lieber als Deutscher, auch, um den türkischen Wehrdienst zu umgehen… Alles nicht so leicht, wie ihr denkt.

Seitdem ich letzte Nacht endlich mal Wladimir Kaminer gelesen habe, erscheint mir Berlin und meine letzten 13 Jahre darin in einem anderen Licht. Der Grimme Online Preis ist da ein Furz gegen.

Und nun soll ich auch noch nach 7 Monaten auf Kinoarbeit, endlich mal einen Vertrag unterschreiben. Krasses Zettelchen! Ohne diesen Vertrag hätte ich eigentlich mehr Rechte. Das ist kein Vertrag, sondern ein ziemlich zusammen gestümperte Din-A4-Seite zu meinen Ungunsten. Wie ist eigentlich mit der Sache „Verschwiegenheitspflicht“ und Weblogs? Anonym ist okay, oder? Oder zumindest außerhalb der Kinoarbeitszeit?

Wahrscheinlich darf ich dann bald nicht mehr drüber bloggen. Aber bis der Chef da meine Vertragsänderungsvorschläge unterschreibt, dauert es sicher noch einige Zeit, so wie ich den Laden kennen gelernt habe. Probezeit ist beiderseitig, meine Toleranz hat geendet bei regelmäßig, verspäteten Lohnzahlung.

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