:::: Spielfilm-Auswahlsichtung für die GFT am 9.3.04
DEVOT
Deutschland 2003 – Regie: Igor Zaritzki – ca. 90min
Deutscher Psycho-Liebesfilm. Eine junge Frau in einer regnerischen Nacht auf einer Brücke. Will sie sich umbringen? Sie wird von einem Mann, der denkt, sie sei eine Prostituierte, mit zu sich genommen. Zwischen den beiden beginnt eine lange Nacht voller psychologischer Spiele um Liebe, Macht und Unterwürfigkeit. Er denkt, sie spielt ihm was vor; sie denkt, er will sie ermorden. Beide begeben sich in die Gefahr, den Tricks des anderen ausgeliefert zu sein und nicht mehr zwischen Realität und Phantasie unterscheiden zu können.
Narrativ wird der Zuschauer mitgenommen auf dieses Verwirrspiel: man weiss nie genau, was Wahrheit oder Spiel ist. Bildlich ist die Verschiebung der Realitätsebenen nicht ganz so spannend inszeniert, bleibt bei klassischem Erzählkinoinszenierung, ohne die etablierte Bildebene zu verlassen und ohne bildliche Phantasieräume zu eröffnen, die die Spannung steigern könnten. Aber die Story/Handlungsebene trägt den Thrill an sich schon sehr gut.
Der Regisseur zur Frage, wer in diesem Film devot ist:
„Devot ist die Person, die jeder der beiden jeweils auf den anderen projiziert. Beide gehen nämlich davon aus, den anderen besiegen zu können, wenn sie ihn den eigenen Spielregeln unterwerfen. Wenn ich glaube, jemanden besiegen zu müssen und zu können, dann gibt es in mir selbst die Figur des Siegers (der Unterwerfer) und die Figur eines Verlierers (der Unterworfene). Wenn ich mich aber mit der Figur des Siegers identifiziere (wie das bei beiden der Fall ist), projiziere ich den Verlierer auf den anderen. Und je devoter der andere ist, desto leichter kann ich ihn besiegen. Doch eine Projektion ist nicht die Realität. So treffen hier zwei Personen aufeinander, die sich nicht einfach in ihrer Opfer-Täter-Rolle ergänzen. Es treffen zwei Kontrahenten aufeinander, die sich beide mit der Rolle des Täter und Spielmachers identifizieren und davon ausgehen, dass der andere schwach und devot ist. So wird jeder der beiden durch die Auseinandersetzung mit dem anderen mit seinem eigenen Abgrund konfrontiert und mit seiner eigenen Schwäche bzw. Verliererseite.
Die Begegnung der beiden war ja von Anfang an keine auf menschliche Nähe gerichtete, sondern eine rein sexuelle, bei der keine Gefühle investiert werden. Zwar schien das Bedürfnis nach dieser Nähe immer wieder einmal präsent gewesen zu sein, wurde dann aber rasch wieder unterdrückt. Möglicherweise aus Angst vor Verletzung oder weil das Katz-und-Maus-Spiel schon zur zweiten Natur geworden ist.
Um dieses Spiel zu durchbrechen, hätte mindestens einer der beiden seine verletzliche Seite (Verliererseite) akzeptieren und zeigen müssen. Das tat aber keiner. So haben sie beide verloren.“
A SHORT STORY (Opowiadamie)
Polen 2003 – Regie: Marcin Pieczonka – 24min.
Der 14-jährige Maurice liebt es, seine Familie mit einer Super8 Kamera zu filmen: seinen kranken Vater, seine gestresste Mutter und seinen jüngeren Bruder Caspar. Während er den Alltag dokumentiert ist er sich darüber bewußt, wie krank sein Vater ist. Kleines, beiläufig erzähltes Familiendrama. Das Drama entsteht aus Puzzelteilen des Alltags aus der Perspektive des Jungen, schöne Bilder.
JONNY VANG
Norwegen 2002 – Regie: Jens Lien
Die drei sind seit der Kindheit eng miteinander befreundet – Jonny (Aksel Hennie), Tuva (Laila Goody) und Magnus (Fridtjov Saheim). Jetzt sind sie über 30 und manches zwischen ihnen ist anders geworden. Oder wie Jonny es ausdrückt: „Viele Leute glauben, das Leben in Kleinstädten sei weniger kompliziert als in größeren Städten. Aber das stimmt nicht. Das Leben ist nicht kompliziert, es ist komplex.“
Für Jonny ist das kein glückliches Arrangement und er würde es gerne neu ordnen. Kurz darauf wird er überfallen — ein Unbekannter schlägt ihn mit einer Schaufel nieder. Jonny glaubt, dass es da einen Zusammenhang gibt. Der mysteriöse Anschlag ist nur der Anfang einer ganzen Serie von Unfällen und Katastrophen, deren Opfer er nun wird. Aber Jonny Vang ist kein Mann, der deshalb einfach aufgibt! Hab ich im letzten Jahr schon mal irgendwo gesehen.
WOLFSSCHLUCHT
Deutschland 2003 – Regie: Anja Jacobs – 28min.
Von der Filmakademie Baden Würtemberg: Der arme Kinovorführer Abesalom liebt die schöne Lisa. Aber deren Familie hat andere Pläne. Lisa ist dem reichen Büstenhalter-Fabrikanten Ilja aus dem Nachbardorf versprochen. Abesaloms einzige Chance, die Erwartungen der Familie zu erfüllen und Lisa heiraten zu können, ist , ebenfalls ein reicher Mann zu werden. Technisch/handwerklich sehr gut auf Hochglanz-Kino gemacht, aber die Story trägt so gar nicht. Osteuropa-Klisches und nicht bis ins Ende ausgearbeitet Charaktere.