Sehen wir gerne Nazifilme?

Froh, meine Kritik zu Sophie Scholl durch zu haben, stehe ich unter der Dusche, um mir den Dreck runterzuwaschen und hör im Radio die Werbung vom Tagesspiegel, mit der Schlagzeile: „Warum wir wieder gerne Nazifilme sehen“

Noch bevor ich richtig trocken hinter den Ohren bin, sitz ich vor dem Artikel, der – wie ich hoffte – mir die Antwort geben sollte auf eine Frage, über die ich eine Doktorarbeit schreiben könnte. Aber: wieder drauf reingefallen, Mist! Natürlich wird die Antwort nicht gegeben. Muss ich also doch eine Doktorarbeit schreiben. Es ist lediglich ein Interview von Christiane Peitz mit dem Kommunikationsforscher, Publizist und Filmemacher Lutz Hachmeister, der neulich auf der Berlinale seinen Film Das Goebbels Experiment laufen hatte. Er jedenfalls meint: Die NS-Zeit ist eine riesige crime story. Sie enthält Gangster-Stoffe, Abenteuer, Liebe, Sex, Verrat, wie die Geschichte der Roten Kapelle. Hier bündeln sich wie in einem Brennglas die größten anzunehmenden Verbrechen des 20. Jahrhunderts. Es wäre eher merkwürdig, wenn nicht jede neue Generation diesen Teil des historischen deutschen Familienromans für sich wiederentdecken würde. Und, dass vor „Der Untertan“ – ups, ick mein natürlich „Der Untergang“ – niemand daran gedacht hätte, mit dem Sujet Geld verdienen zu können. Hallo? Das klingt für mich ein bißchen wie NS-Geschichte als Spielplatz, wo Kohle drin steckt?

Ist übrigens nicht erst seit Eichingers „Der Untergang“ so, dass da Geld drin steckt. Alles über die NS-Geschichte wird zunächst mit offenen Armen empfangen und kritisch beäugt. Ist doch klar. Hat sich im deutschen Spielfilmmarkt einfach bisher keiner getraut einen (deutschen) Blockbuster draus zu machen. Muss halt erst der Leit-Produzent kommen und zeigen, wie es geht. Führer befiehl, wir folgen dir… In der Vermarktung von authentischen Filmmaterial aus der Nazizeit wird schon lange gut Geld verdient. Da werden systematisch Nachlässe von Verstorbenen durchforstet nach NS-Privataufnahmen. Ich hätt da übrigens noch privates Filmmaterial auf dem Dachboden vom Führer in seiner Unterhose. In Farbe! Das dürfte doch den Herrn Knopp für seine Geschichts-Doku-Soups auch interessieren.

Außerdem, wer sagt eigentlich, dass wir gerne Nazifilme kucken? Unter „Nazifilme“ verstand ich bisher immer Filme, die innerhalb der Propaganda der Nazis entstanden sind. Von Nazis, nicht über Nazis, aber egal. Abgesehen davon, dass man diese alten Filme heute nicht *gerne* sehen darf, sind die meist in heutigen Augen auch einfach kein Genuss.

Ich sehe nicht wirklich gerne Filme über die NS-Zeit, aber man muss ja. Wirklich gerne sehe ich Filme mit Liebe drin, am besten aus Amerika.

Kommentare sind geschlossen.