Filmtagebuch: Bonjour Tristesse, 1958

Jean Seberg, David Niven, Deborah Kerr in „Bonjour Tristesse“ von Otto Preminger

Beim Aufräumen hatte ich noch zwei Kinogutscheine für ein Luxuskino am Ku’damm gefunden, die ich nun in eine Kino-Matinée von „Bonjour Tristesse“ an einem verregneten Sonntag mit einem Freund umgewandelt habe.

„Bonjour Tristesse“ – den Film wollte ich schon immer mal schauen. Aber es ergab sich nie so recht die Gelegenheit. Ich verband mit dem Titel immer eine große Melancholie, eine tiefe Traurigkeit. Immer wenn ich zufällig irgendwo Filmfotos sah, machte mich die jungenhafte Jean Seberg mit ihrem spitzbübischen Blick neugierig. Und natürlich das Mittelmeer, die französische Riviera – Filme in herrschaftlichen Ferienhäusern am Meer haben ja oft diese tolle wackelige Balance von Sommerlust und Liebestragik. Das alles verwob sich für mich über all die Jahre, in denen ich den Film nie sah, zu einer eigenen Filmfantasie. Vielleicht vergleichbar mit dem fantastischen Wunschort, den sich Bär und Tiger in „Oh, wie schön ist Panama“ ausmalen. Ich habe sogar zu Hause unser Wlan nach diesem Sehnsuchtsfilm benannt.

Nun habe ich also meinen Sehnsuchtsfilm gesehen. Und was soll ich sagen? Ich bin etwas enttäuscht. Es war ein schöner Filmmittag: Gemütliche Ledersitze, viel Beinfreiheit, Antipasti und Getränke am Platz, freier Blick auf die große Leinwand, angenehmes Bildungsbürger-Publikum. Doch der Film plätscherte für mich nur so vor sich hin. Ich bin auf den Humor angesprungen, ich habe die alten Technicolor-Farben genossen, aber die Melancholie hat sich mir nicht eingestellt. Für ein Filmmelodram kommt die Tragik visuell eher skizzenhaft zum tragen. Die Handlung um einen alleinerziehenden Playboy zwischen drei Frauen (seiner 17-jährigen Tochter, seiner aktuellen Geliebten und einer früheren schon etwas reiferen Liebe) wäre prädestiniert für herrliche Sticheleien und Intrigen unter den Frauen und vor allem in Richtung der männlichen Protagonisten. Gefolgt natürlich von den Dramen und Tragödien, welche die Intrigen auslösen. Das blieb für mich aber alles nur formelhaft exemplarisch und wurde filmisch nicht opernhaft exzessiv.

Dennoch ein sehenswerter Film und ein Stück Wissenslücke gefüllt. Gedanklich interessant finde ich immer noch die eigentlich Mechanik der Tragödie. Auslöser war eine locker inszenierte Eifersuchts-Intrige, die die Tochter sich ausgedacht hatte, weil sie ihre Freiheiten als Playboy-Tochter schwinden sah durch die neue Mutter. Solange der Vater junge Gespielinnen hatte, war das kein Problem für sie. Erst als eine reifere Frau den Platz an der Seite ihres Vaters annimmt, sieht sie sich gezwungen, ihren Lebensstil zu verteidigen. Freiheit des Kindes, Pubertät, Muttermord, Familientrauma – so die ungefähre Richtung. Danach haben wir noch darüber nachgedacht, warum die Tragik und die daraus folgende Depression aber doch so umemphatisch inszeniert blieb. Zu amerikanisiert? Oder gewollt Melodram light? Zu viel Sonne? Zu wenig gebrochene Spiegel und Schlagschatten? Wir haben keine Antwort gefunden und sind Kakao trinken gegangen.

Gesehen am: Sonntag, 13.1.2019, mittags

Autor: @tristessedeluxe

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