:::: gestern Nacht gesehen
USA 1970 – Regie: Herschell Gordon Lewis – mit: Ray Sager, Judy Cler, Wayne Ratay, Phil Laurenson, Jim Rau, Don Alexander, John Elliot, Karin Alexana
Wenn einem die Welt als solche zu arg rosa und zu sehr plüschig erscheint – wie es bei mir der Fall war – braucht es harte Gegenmaßnahmen, um sein ästhetisches Gleichgewicht wieder herzustellen. Nach all dem supersüßen Baby-tütü der letzen Wochen habe ich mich nun endlich auf diesen Trash-Klassiker gefreut, auf den ich durch den Film JUNO aufmerksam geworden bin. Dort nämlich, schaut sich die junge Hauptfigur diesen Film zusammen mit dem zukünftigen Adoptivvaters ihres ungeboren Babys an. Und wenn Filme in Filmen vorkommen, kann man zumeist eine Reflexivebene vermuten.
Der Film handelt von einem schrägen Zauberer, der die Menschen, die er bei seinen Kunststücken auf die Bühne bittet, hypnotisiert, um dann Kettensäge, Schwert oder ähnliches durch sie zu bohren. Blutige Sache. Die Menschen überleben das auch, werden aber Stunden später tot aufgefunden, gestorben an Blessuren, die zu der Show des Zauberers passen. Die Polizei kann ihm allerdings nichts nachweisen, also macht sich ein Mann, der persönlich betroffen ist, auf eigene Faust an Nachforschungen. Schön billig alles. Wirklich geil sind aber nur vier Szenen, jeweils die blutigen Zauber-Tötungen an vier Abenden. Dazwischen viele statische Kameraeinstellungen, Scheinhandlung und Fülldialoge. Aber so gehört sich das ja auch, ist ja mit Pornos meist das Selbe.
Ich kenn mich mit dem Genre nicht so wirklich aus, kuck sowas nur zum Spaß, daher muss man Fachleute zu Rate ziehen:
Herschell Gordon Lewis war schon immer ein Kapitel für sich. Man muss seine Filme mögen, oder man hasst sie abgrundtief. Sie haben meist diesen typischen 60er- und 70er-Jahre-Charme (kein Wunder, immerhin sind sie ja auch in der Zeit gedreht worden) mit den typisch jazzigen Musiken dazu und dann wird plötzlich gnadenlos gesplattert, was das Zeug hält. Die Effekte sehen relativ unrealistisch aus, doch wirken sie trotzdem schockierend, immerhin hält die Kamera gnadenlos auf sie rauf und zeigt das Gekrösel in allen Einzelheiten, ein bisschen „over the top“. „THE WIZARD OF GORE“ allerdings ist fraglos einzureihen in die Reihe der Kultklassiker des Horrorfilmes. Man muss sich nur vorstellen, was Lewis da darbietet. Die Streifen müssen für damalige Verhältnisse wirklich schockierend und verwirrend, ja gar skandalös gewesen sein. Ein Lucio Fulci und andere Horrorfilmer sollten ja erst viele Jahre nach ihm kommen. Filmisch gesehen ist „THE WIZARD OF GORE“ gelungen, wobei in erster Linie Ray Sager als „Montag The Magnificent“ dank seines Overactings am meisten herausragt. Das Ende dazu ist sehr gelungen und überraschend, so wollen wir es haben. (Haikos Filmlexikon)
Auffällig an der insgesamt recht dürftigen Handlung ist ein latenter Diskurs über Gewalt in den Medien, bzw. über mediale Realität und Illusion. Das finde ich für einen Gore-Splatterfilm schon bemerkenswert. Der Zauberer thematisiert in seiner Bühnenschau die Blutlust, die die Zuschauer verspüren, wenn sie Filme oder TV-Nachrichten sehen. Er referiert geradezu darüber, wie sehr das Fernsehen den Zuschauer als Voyeur missbraucht und wie schlechte Kinofilme nie die wahren Grausamkeiten des Mordvorgangs auf die Leinwand werfen
Auch in der Klimax des Films wird dieser Gewalt-Mediendiskurs auf die Spitze getrieben – der Zauberer wird seinen mörderischen Trick während einer TV-Sendung anwenden, wodurch die gesamte Zuschauerschaft die Gefahr droht im Rückkopplungsprozeß der Sehlust an der Gewalt selber drauf zu gehen (Spoiler: was natürlich vereitelt wird).
Aber was das alles mit JUNO zu tun haben könnte, hab ich nicht rausgefunden. Hier noch ein paar weiterführende Links:
bmoviecentral.com mit Screenshots und weiter unten ein Link zu ’nem Video-Schnipsel aus dem Film
Besprechugn des Films auf www.mitternachtskino.de
Bright Lights Film Journal hat Herschell
Gordon Lewis in 2001 mal interviewt