Michael Jackson sei tot, hörte ich gerade in der Bar. Das sei sogar schon auf Spiegel Online zu lesen. Daraufhin gab es noch einen weiteren kostenlosen Wodka für alle. Gute Bar. Als wir die Bar verließen, stolperte uns ein junger Mensch entgegen, ob wir schon gehört hätten, Michael Jackson sei gestorben. Ist ein wenig, wie mit dem Tod von Diana. Wenn Pop-Ikonen sterben. Diese Huh-Huh-Hüllen, dieses Agidprop der Popkultur, wenn die Blasen platzen und man viel spürt, aber auch nicht mehr bleibt als heisse Luft.
Daher erstmal dieses Video (Michael Jackson – Dirty Diana):
Damals hörte ich Musik noch im (oder auf dem) Walkman, auf dem Weg zur Schule. Das Album „Bad“ habe ich das erste mal bewusst an einem Regentag morgens im Bus auf dem Weg zur Schule gehört. Von Schallplatte kopiert auf Kassette von einem Kumpel, ohne dass das damals schon in irgendeiner Weise urheberrechtlich problematisch war. Damals hatte ich so meine Zweifel mit Michael Jackson. War ja Pop. Ich stand irgendwie eher auf elektrische Gitarren. Doch in jenem Bus an jenem Regentag machte „Dirty Diana“ sehr viel Sinn für mich. Erwachende Jungs-Sexualität auch, die da rein spielt. Und das bisschen Englisch, was ich verstand, erzählte von einer verletzten Seele, die sich zwischen Groupies und naja, sowas wie Heimat im Selbstzweifel mit der eigene Rolle als Superstar und eben jener verletzen Seele findet. Das konnte ich verstehen. Besonders die letzen Sekunden des Videos zeigen diese Leere zwischen Bühnenperformance und dem Wunsch nach Zurückgezogenheit. – – – Eben in der Retrospektiver des Videos fällt mir nur auf, dass die Nase damals schon … und der Gitarrist sieht aus wie der eine vom Tokio Hotel. Trotzdem, diese schattigen Frauenbeine – in den 1980er war das für eine junge Jungenseele schon viel mehr, als man zu träumen vermochte.
Ganz anders gelagert war das dann schon vorher mit „Thriller“ und mir und meinen Eltern. Als „Thiller“ in der öffentlichrechtlichen Musiksendung „Formel Eins“ Premiere im deutschen Fernsehen hatte, erlebte ich das erste mal TV-Zensur. Vormals war es mir immer irgendwie erlaubt, Fernsehen zu sehen. Musikvideos auf „Formel Eins“, oder Serien am Abend, oder am Wochenende alles, was da so kam. Ich konnte in diesem Rahmen damals so gar nicht verstehen, warum ich diese Deutschlandpremiere von der Langfassung des Thriller-Videos im TV nicht beiwohnen durfte. Wahrscheinlich hatte mal wieder ein medienkompetenter Altschnösel bei „Die Zeit“ dazwischengeschossen. Jedenfalls, ich durfte das Video nicht im Fernsehen sehen, sondern musste mir das dann über wenige Umwege auf VHS-Tape auf dem Schulhof besorgen. Aber schaut nochmal selber: Micheal Jackson – Thriller (Full version, 13 min). So fett krass war das nicht, um das so vehement zu verbieten. Für seine Zeit krass, aber verkraftbar, weil filmhistorisch nur noch Zitat einer Filmgattung, die in den 1980ern langsam in den subkulturellen Mainstream gedrungen war. Es war damals wie heute mit dem Internet und den Politikern. Wir, als 12-Jährige hatten Zombies schon längst als Geisterbahn-Kunstfiguren und populärkulturelle Kommunikationsmetapher verstanden. Für unsere Eltern waren Scheintote aber noch gar nicht abbildbar. Ich nehme das meinen Eltern nicht übel. Was ich ihnen aber übel nehme ist, dass sie mir in ähnlicher Zeit verboten haben, „Traumschiff“ zu sehen („Das sind da alles Zombies, schlimm, schlimm“).
Das war’s dann auch schon von mir und Michael Jackson. Zu dem ganzen Kinderfickerkram kann ich nichts sagen. Drogen und Macht und Naivität und Jugendstarrsinn sind ein schwieriges Gefüge. Gerade erst heute musste ich wieder drei Müttern auf dem Spielplatz bei ihrem lautstarken Gespräch zuhören: Sie sprachen über das Fernseh-Casting ihrer Kleinkinder, was sie gerade hinter sich hatten. Medienhuren.