:::: gesehen neulich auf DVD
Deutschland 2006 – Regie: Markus Herling
Vorhin auf dem Rad sind einem ja schon wieder die kräftigen Vorböen des rauen, kalten Berliner Winters ins Gesicht geschlagen. Da möchte ich mich noch mal kurz erinnern, an den Film, bei dem ich neulich Nacht beinahe eingeschlafen bin. Ist gerade letzte Woche erst im Kino gestartet, den Trailer fand ich viel versprechend und so hat sich aus verschlungenen Kanälen eine DVD des Films in meine Tasche geschlichen.
Netter, kleiner Berliner Episodenfilm über Heiligabend in Berlin. Zufällig kreuzen sich die Wege ganz unterschiedlicher Protagonisten. Alle sind sie nicht ganz glücklich, alle eher auf der trostlosen Seite des Lebens. Eine allein erziehende Mutter, die nicht genug Geld hat, um ihren Kindern Weihnachtsgeschenke zu kaufen. Ein Vater aus Westdeutschland kämpft mit seinem Schamgefühl. Ein einsamer U-Bahnfahrer lernt eine Frau kennen (von allen Episoden ist diese Dank der Schauspieler die gelungenste!). Ein Schauspieler nach einem enttäuschenden Casting. Ein Paar in Trennung und ein Drogerien ausraubender Weihnachtsmann.
So weit, so Hartz IV wie möglich. Die Reichen und Schönen scheinen zu Heiligabend Berlin verlassen zu haben und übrig bleibt der prekäre Bodenstand. In gefälligen Plattitüden stolpern die Episoden umeinander, Bindeglied sind zwei 50,- Euro-Scheine, die da immer mal wieder den Besitzer wechseln, bis am Ende des Films alle auf ihre Art doch noch ein Stückchen Weihnachtsglück gefunden haben.
Das kommt einem alles seit „Das Leben ist eine Baustelle“ und „Nachtgestalten“ sehr bekannt vor. Berliner Episoden sind auch oft genug erzählt und erreichen doch nie die Güte eines Robert Altmans. Und auch der filmische Taschenspielertrick, einem Geldschein auf Reisen zu folgen als formale Bindung zwischen den Figuren hab ich vor Jahren schon mal in einem Berlin-Episoden-Film gesehen. Alles also nur geklaut? Vielleicht nicht geklaut, aber eben auch nicht sonderlich originell.
Irgendwer muss Berliner Filmemachern erzählt haben, „Sozialdrama bringt’s immer und finde trostlose Figuren. Wenn deine Story nicht über 90 Minuten trägt, dann mach einen Episodenfilm und am Besten in Berlin, das schauen sich die Leute gern an und die Drehgenehmigungen sind billiger!“. Schicksale in einer nasskalten Großstatdt machen aber noch keinen guten Film. Das Spielfilmdebüt des Regisseur Markus Herling, der auch das Buch geschrieben hat, greift hier zum plakativsten Gegensatz, der einem so einfallen kann. Das Fest der Liebe und des Glücks gegen den Überlebenskampf seiner Figuren und ihrer Gefühlskälte.
Aus dem Presseheft kann man ersehen, dass Herling 30 Folgen „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ zu seinem filmischen Schaffen zählt. Da ist der Gedanke nicht weit, „Schöner Leben“ als filmischen Gegenentwurf der TV-Soap-Lebenswelten zu verstehen. Verglichen mit der TV-Pappwelt ist „Schöner Leben“ ein ambitionierter Film mit emotionaler Tiefe. Verglichen mit Kinofilmen mit emotionaler Tiefe ist „Schöner Leben“ ein TV-Film für’s Nachtprogramm. Obwohl, gestern Abend kam da was ganz Schlimmes im Programm von 3sat. Konnte man gar nicht mit ansehen. Aber wer will schon Äpfel und Birnen vergleichen.