Film: Work Hard – Play Hard

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Work Hard – Play Hard, Deutschland 2012; Regie: Carmen Losmann; gesehen am 20.4.2012 im Eiszeit-Kino

Und dann war da noch dieser soziologische Dokumentarfilm über die moderne Arbeitswelt in Konzernen, der ein durchaus interessanter und ästhetischer Dokumentarfilm ist, aber meine Erwartungshaltung etwas enttäuscht hat. Vielleicht lag es aber auch weniger an dem Film, als an dem Publikum, das zum größten Teil offensichtlich nicht in dem Film dargestellten Arbeitsumfeldern tätig ist. Sprich: bei jedem ungewohntem Anglizismus aus der Corporate Speak der modernen Konzernwelt, musste sich erstmal schlapp gelacht werden. Man hat ja einen ach so distanzierten Blick auf diese fremde Arbeitswelt. Das hat arg gestört.

Der Film ist nicht lustig, das hat die Kritik in der taz sehr richtig erkannt:

Die einzige Ironie, die aus „Work Hard – Play Hard“ ersichtlich wird, ist die, dass ausgerechnet die Rituale der Optimierung, die hier zu sehen sind, selbst häufig den Eindruck des Redundanten machen. Triviale Diagramme auf Flipcharts scheinen einen wichtigen Teil aller Unternehmens(berater)kulturen auszumachen: Engagement wird da bedeutungsschwer in „rational“, „emotional“ und „motivational“ aufgefächert (dass der Begriff auch noch eine ganz andere Semantik hat, muss dabei verdrängt werden). Dokumentarfilm Work Hard Play Hard: Arbeit 2.0 – taz.de

Denn darum geht es eigentlich: Der Film ist eine ethnologische Beobachtung, die eine mehr oder weniger versteckte Ideologiekritik ausüben möchte. Ganz wie wenn ein früher Ethnologe ein fremdes Volk dokumentiert und zwischen den Zeilen (eventuell auch ungewollt) die Überlegenheit der westlichen Kultur bestätigt, taucht die Filmemacherin in für sie unbekannte Konzernwelten ein. Mein Vorwurf wäre nun, dass Carmen Losmann in ihrer Dramaturgie, also der filmischen Sortierung der Beobachtungen, Ideologiekritik am Kapitalismus immer wieder an die Wand fährt. Sehr gute Detailbeobachtungen werden immer wieder so aufgelöst, dass das Publikum lachen muss. Das ist Schade, denn ja, vieles Gezeigte hat religiöse Züge und erinnert an die für unsere Augen Hilflosigkeit des Cargo-Kultes. Doch eine reflexive Auseinandersetzung damit, dass das was wir da sehen nicht ein fremdes Volk, nicht ein distanziertes Beobachtungsobjekt ist, sondern Teil und Prägung unserer poststrukturalistischen Gesellschaft ausmacht, bleibt unterbelichtet.

Mit seinem ruhigen, zurückhaltenden Stil, der erkennbar durch die Arbeiten Harun Farockis beeinflusst ist, gelingt dem Film eine beunruhigende Bestandsaufnahme des „Kapitalismus als Religion“, wie Walter Benjamin das einst nannte. Losmann verzichtet auf jeden Kommentar – das erledigen schon die von ihr Porträtierten selbst, wie jene Analystin, die sich nicht in die Kamera zu sagen scheut, sie wolle die Vorgaben „nachhaltig in die DNA jedes Mitarbeiters einpflanzen“. (faz.net)

Bei den Stichworten „Kapitalismus als Religion“ oder auch „Arbeit als Freizeit“ würde es eigentlich erst interessant werden. Der Film kommt über eine Bestandsaufnahme jedoch nicht hinaus. Angestellte werden als Arbeitsmaterial dargestellt (was sie für Unternehmen ja auch sind). Aber kein Perspektivwechsel findet statt, sie werden nicht als Menschen portraitiert. Dadurch hat Carmen Losmann in diesem Dokumentarfilm auf die Angestellten und Protagonisten den gleichen distanzierten Blick, den Unternehmen einnehmen.

Durch einen Perspektivwechsel – etwa eine Beobachtung einzelner Mitarbeiter in anderen, privaten Kontexten – hätte zum Beispiel deutlich werden können, dass sich die Protagonisten ganz bewusst darüber sind, was sie für eine Rolle im Konzern spielen, sich an die sprachlichen Akzente der Corporate Speak – die für einige Ohren albern klingen mögen – auch gern anpassen, und die von Außen scheinbar sinnlosen Rituale als durchaus legitim anerkennen.

Jedoch genau wie Unternehmen Veränderungsprozesse über die Köpfe ihrer Angestellten hinweg planen, dramaturgisiert die Filmemacherin über die Köpfe ihrer Protagonisten hinweg. Besonders schön gelingt dies in der Schlusssequenz, wo nachträglich am Schneidetisch per Digitalzoom über eine wartende Frau hinweg gezoomt wird auf die Wand der Lobby, die ein Muster aus Byte-Kombinationen darstellt. Nun ist auch dem dümmsten Zuschauer die Botschaft des Films klar: „Alle Mitarbeiter werden in Bytes erfasst, alle Menschen sind hier nur Einsen und Nullen.“ Die Filmemacherin verpflanzt quasi ihre Botschaft in die DNA des Zuschauers. Bei solchen filmischen Stilmitteln fängt für mich persönlich ja Propaganda an.

Da zum Beispiel ist dann Harun Farocki um einiges tiefgreifender, selbstreflexiver und geschickter was analytische Bildsprache und poststrukturalistische Gesellschaftskritik angeht.

Trotzdem guter Film. Lohnend. Pflichtlektüre quasi. Und dazu als Nachbereitung den Poststrukturalismus Podcast von Tim und Gregor anhören.

Ankündigung: Iron Blogger auf der re:publica

Am 3. Mai treffen sich im Rahmen der re:publica 12 die nationalen Iron Blogger und trinken Bier. Alles weitere hier: Iron Blogger auf der re:publica.

Ich mach da ja schon seit den Anfängen mit, weil ich das Konzept des „Nichtstuns und Biertrinkens“ großartig, simpel und einleuchtend finde. Großes Fragezeichen? Worum es bei den Iron Bloggern Berlin geht und wie man mitmachen kann, erfährt man hier.

Ich wurde gespont.

Ich bloggte mir vor etwa einem Monat den Ärger von der Seele, der sich aufgebaut hatte, weil eine Handyabofirma versuchte, mir – nach meiner Meinung mit betrügerischen Methoden – Geld abzuknöpfen. Der Aufreger von vor ein paar Wochen ist hier zu finden: Handyabzocke durch Burda Wireless.

Mein Blogpost hat einen Nerv getroffen, wurde viel getwittert und geshared. Schließlich wurde ich von einem Spiegel Online Autoren dazu befragt, der etwas tiefer in der Sache recherchierte. Heute ist auf Spiegel Online nun der Artikel erschienen: Handy-Abos: Hubert Burdas Penny Maschine.

 

Liebe alle.

Mit großer Freude

habe ich diese ganzen offenen Briefe überflogen

und sehe mich daher genötigt,

sofort ein Gedicht zu schreiben.

 

Ihre Haltung ganz allgemein

ist ebenso super wie fehlgeleitet

und hinterlässt mich daher

hoffnungsvoll.

 

Ganz offensichtlich

verstehe nur ich,

wie wir die Probleme

auf der Welt lösen können.

 

Aus meiner Dissertation

sollte jeder wissen,

dass Ihre Position großartig ist.

 

Somit hoffe ich,

dass mein Gedicht

diese Diskussion endlich eröffnet.

 

(Ich konnte nicht mehr schweigen.)

 

 

Hergestellt mit dem Offene Briefe Generator, der auch grassifizieren kann. Toll!

 

Poesie der Finanzkrise

„GELD“

aus der Financial Times Deutschland, März 2012
Marker auf Papier / 2012

Auf dem Blog Economic Words sammelt die Berliner Künstlerin Anke Becker Zeitungsausschnitte und destilliert die in der Nachrichtensprache der Finanzwelt verborgene Poesie.

„Gibt es eine verborgene Schönheit hinter den täglichen Nachrichten aus der Welt der Finanzen und der Ökonomie? Auf meinem Blog Economic Words kommen versteckte Nachrichten jenseits von Kapitalflüssen, Börsennotierungen und internationalen Geldverschiebungen zum Vorschein.“ (Anke Becker)

Ich finde, das ist ein schöner Ansatz, ausgetretene Gebrauchssprache mit ihren wiederkehrenden Versatzstücken zu konterkarieren. Zitat, Mashup, Destillat. Reduktion auf das Wesentliche ist auch eine Frage der Perspektive: economicwords.com