[Berlinale] Film: Das Goebbels Experiment

:::: gesehen am 15.2.05

Deutschland 2004 – von: Lutz Hachmeister und Michael Kloft

Auf den Tagebüchern von Goebbels beruhende Dokumentation, die seinen Werdegang als Propagandaminister zeigt. In der deutsche Fassung spricht Udo Samel die Tagebuchtexte, die mit historischen Archivbildern illustriert werden. Der Schreibstil Goebbels wird gut deutlich, allerdings musste natürlich aus der Fülle an Material ausgewählt werden. Eine persönliche Lektüre der Tagbücher wirft weit mehr Erkenntisse über die Person Goebbels als Mensch und Nazi auf, als der Film das kann. Merkwürdig, dass mir ausgerechent bei einer Dokumentation dieses typsiche Argument von Literaturverfilmungen über die Finger huscht. Einige meiner Lektüre-Eindrücke der Tagebücher spiegelt der Film sehr schön, andere, die damals mehr meine Aufmerksamkeit erreichten, scheinen mir zu kurz zu kommen. Zwiespältig: Der Film verlässt sich vielleicht zu sehr auf ein intelligentes, geschichtsbewusstes Publikum, denn eine wirkliche Richtung der Rezeption Goebbels gibt der Film nicht vor, sondern gibt es in die Hand des Zuschauers. Das ist natürlich sehr gut für einen Dokumentarfilm und ein bisschen Goebbels steckt in jedem von uns. Bei diesem Gegenstand wird der Film aber sicher auch in die Vertriebswege von Neonazis finden und dort anders als intendiert rezepiert werden.

Überhaupt: Es war die Premiere, die ich gesehen habe, mit einem ganz anderen Publikum als sonst: Viele Histroriker und Menschen, die vom die Nazi-Vergangenheit aufarbeitendem Kultur- und Historikerbetrieb ein gesettletes Leben führen können. Denn bei Geschichte um Film geht es auch immer um Filmrechte. Und mit Bewegtbildern, wo ein Hakenkreuz drin vorkommt, am besten in Farbe, kann man eben auch Geld verdienen. Ist mir nur so aufgefallen.

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[Berlinale] Film: Sekai no owari

:::: gesehen am 14.2.05

Japan 2004 – Regie: Kazama Shiori – mit: Nakamura Mami, Shibukawa Kiyohiko, Nakatsuka Keishi, Tanabe Seiichi / Forum

Twenty-Somethings in Tokyo, die ihr Liebesleben nicht auf die Reihe kriegen, weil sie sich einfach zu passiv durchs Leben strudeln lassen. Klingt jetzt etwas hart, obwohl es eigentlich ein sympathischer Film ist. Irgendwie gehen mir diese japanischen Jugendfiguren in den letzen Jahren immer mehr auf den Keks. Sind über 20, stehen mehr oder weniger auf eigenen Beinen, aber ein Gebaren wie Kinder (wollen nicht erwachsen werden…). Oder stört mich da nur an mich selber was? Wahrscheinlich. Das sind eigentlich immer ganz liebe, sehnsüchtige Filme – mit diesen Twens auf dem langgezogenen Weg zum langweiligen Erwachsensein – verzweifeltes Klammern an einem verlorenen Jugendtraum und perspektivlosen Zukunft… Auch ein bißchen diese Murakami-Atmosphäre. Ich muss unbedingt mal nach Japan, da ist immer so viel Anteil in diesen Filmen, den ich kulturell nicht voll kapiere. Das hab ich beim letzen Film der Regisseurin vor einigen Jahren auch schon gedacht, glaube ich.

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[Berlinale] Zwischendurch…

… dann immer wieder jetzt schon das Gefühl, genug gesehen zu haben. Desinteresse an jeder Filmbeschreibung, Orientierungslosigkeit im Programm, da alles so beliebig erscheint. Österreichische Filmfachleute machen zwar oft gute Filme, verhalten sich gegenüber Mitmenschen aber schlimmer als Deutsche (oder sie sind so was wie Berlin einfach nicht gewohnt). Ich treffe sehr viele Bekannte zwischendurch, habe aber das dumpfe Gefühl, ich mache einen etwas verpeielten Eindruck. Die nächsten Tage, warme Malzeiten nicht vergessen. Trotz Lust, nicht geraucht.

[Berlinale] Film: Adam & Paul

:::: gesehen am 14.2.05

Irland 2004 – Regie: Lenny Abrahamson – mit: Mark O’Halloran, Tom Murphy, Louise Lewis / Panorama

Ein Tag im Leben zweier Dubliner Junkies, eine kreisförmige Odyssee auf der Suche nach Geld, respektive Stoff mit Anklängen an „Warten auf Godot“, „Dick & Doof“ sowie Kaurusmäki. Es fiel mir zuerst etwas schwer, in diesen speziellen (irischen?) Humor reinzukommen. Aber er war da, zwischen der rauen Realität. Auch mich das Gebaren der beiden zuerst eher an „Beavis & Butthead“ erinnerte hat, als an „Dick und Doof“. Wie durch ein Paralleluniversum vollzieht sich der Streifzug der beiden langjährigen Freunde durch Dublin, der tatsächlich ein wenig an die Situation erinnerte, in der man sich selber als Filmjunkie auf so einem Festival wiederfindet: Kaum fähig in den Pausen zwischen den Filmen ein vernünftiges Gespräch zu führen, fröstelnd auf der unruhigen Suche nach dem nächsten Kick, der sich einstellen wird, aber immer viel zu lange auf sich warten lässt. Und am Ende jeden Films wacht man aus einem Rausch auf, reibt sich die Augen und weiss ganz kurz nicht, wo man eigentlich ist.

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[Berlinale] Film: Der irrationale Rest

:::: gesehen am 14.2.05

Deutschland 2005 – Regie: Thorsten Trimpop

Dokumentation über die 1987 gescheiterte Flucht aus der DDR von Matthias und Susanne, die 20-jährig ins Gefängnis kommen. Zurückgeblieben war Matthias Freundin Suse. Nach 16 Jahren begegnen sich die 3 wegen dieses Films wieder. Individuell begehen die Protagonisten die Orte der Flucht und die Haftanstalt und bereiten in Interviews ihre Erinnerung auf. Ruhiger Film mit einer durch die Erzählung der Protagonisten bestimmten Dynamik. Nach der Sichtung von Sophie Scholl ergaben sich einige interessante Parallelitäten. Was sind die Beweggründe von eigentlich ganz normalen Leuten, sich gegen die Macht eines Staates zu widersetzten? Bei Sophie äußert sich der Kampf für eine demokratische Gesellschaftsordnung in schriftlicher Meinungskundgebung. Bei den Flüchtlingen geht es zunächst um die Durchsetzung individueller Freiheit. In beiden Fällen gründet die Aktion auf einem starken Wille trotz Todesbewusstsein. Nicht falsch verstehen! Die beiden Filme sind eigentlich Apfel und Birne…

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[Berlinale] Film: Sophie Scholl – Die letzten Tage

Deutschland 2004 – Regie: Marc Rothemund – mit: Julia Jentsch, Fabian Hinrichs, Alexander Held, Johanna Gastdorf

Der Titel sagt eigentlich alles. Kein Schulfunk, sondern eine super-gemachte Schmonzette vor politischem Hintergrund. Spielt hauptsächlich Innen: Verhörzimmer und Gefängnis und Gerichtsaal. Die Schauspieler sind klasse. Besonders natürlich Julia Jentsch. Ich hatte einen ziemlichen Klos im Hals gegen Ende.

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[Berlinale] Film: Crash Test Dummies

:::: gesehen am 13.2.05 im Delphi

Österreich, Deutschland 2005 – Regie: Jörg Kalt – mit: Maria Popistasu, Bogdan Dumitrache, Simon Schwarz, Kathrin Resetarits, Viviane Bartsch, Barbara Albert / Forum

Leider am Sonntag nur einen Film gesehen, aus Freundschafts- und Liebesgründen. Ein junges rumänisches Paar reist nach Wien und geht verloren. Sie wollen eigentlich ein gestohlenes Auto über die Grenze schmuggeln, doch der Job verzögert sich und sie müssen einige Tage in Wien verbingen. Durch Wirrungen in der Beziehung trennen sich ihre Wege: er trifft eine Angestellte eines Reisebüros, sie lernt einen Kaufhausdetektiv kennen, der seiner Ex-Freundin nachtrauert und mit einer apathischen Mitbewohnerin zusammenwohnt. Das ganze vor dem Hintergrund, dass in wenigen Tagen die EU-Erweiterung stattfindet.

Schöner Film, etwas lieblose Kameraarbeit, da hätte man mehr rausholen können. Aber insgesamt ein sehr unterhaltsamer, junger Österreichischer Film (wieder im Dunstkreis um Barbara Albert). Eines allerdings: Am Kartenhäusschen wiederholte eine der Darstellerin immer wieder „Ich hole jetzt meine Karteb ab, ich hole jetzt meine Karten ab…“, ohne zu sagen, wer sie sei. Die Kassenfrau konnte ihr so nicht helfen. Und ein Herr von der Produktion hielt äusserst barsch eine Reihe im Kino für die Produktion frei. Mit solch einem wichtig, wichtig bis arogantem Auftreten fällt man schon auf. Reisst euch mal zusammen, ist doch nur ein Film!

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[Berlinale] Film: Dancing With Myself

:::: gesehen am 12.2.05 im CinemaxX

Deutschland 2004 – Regie: Judith Keil, Antje Kruska / Perspektive Deutsches Kino

Dokumentation über 3 Singles in Berlin: Eine Schülerin, ein arbeitsloser Schlosser und einer, der für die Liebe seine Ehe aufgegeben hat. Ist von den beiden Macherinnen von „Der Glanz von Berlin“, den ich leider immer noch nicht gesehen habe. Was ich aber dringend nachholen werde, weil mir „Dancing…“ doch sehr gefallen hat. In Ansätzen ist eine Inszenierung a la Ulrich Seidel zu erkennen, die sich aber im Laufe des Film zugunsten der Nähe zu den Protagonisten wendet. Seidl ist kälter, distanzierter.

In der Schlange hab ich eine kennengelernt, die mir nachdem Film noch ein Ticket für das Kurzfilmprogramm geben konnte , in dem A.s Film läuft. Hab ich den also auch noch sehen können – auf riesen Leinwand und richtigem Sound. Danch im „Homebase“ lange geblieben. Geredet, u.a. auch mit der jungen Protagonisten aus dem Film – merkwürdiges Gefühl: Die Wahrnehmung eines Menschen über die Leinwand als filmische Figur, die dann in der Warteschlange zur Toilette in Echt vor einem steht.

Mit S., die da in der „Homebase“ mit drinsteckt über ihre Dissertation gesprochen. Hat mir Mut gemacht.

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[Berlinale] Film: Un año sin amor

Argentinien 2005 – Regie: Anahí Berneri – mit: Juan Minujín, Mimi Ardú, Carlos Echevarria, Osmar Nuñez / läuft im Panorama

Geschichte um einen HIV-positiven Schriftsteller, der als er erfährt, dass er demnächst sterben wird, entschliesst ein Tagebuch über die täglichen Veränderungen zu schreiben. Dabei geht es ihm durch das Schreiben die physische und die psychischen Leiden, die der Virus auslöst, zu lindern. Durch die eigene Standortbestimmung des Tagebuchschreibens werden Wünsche in ihm wach, die er noch vor seinem Tod sich erfüllen möchte: Die Suche nach der große Liebe, lässt ihn Kontaktanzeigen schalten und in der schwulen Szene Buenos Aires rumziehen. Im Laufe der Zeti kann er einen Verleger für sein Tagebuch interessieren.

Ich bin mir noch zwiegespalten, was der Film eigentlich will. Einerseits geht´s halt immer weiter bergab in der Handlung, was in der Sache des Themas liegt. Im Prinzip, denn der Film hat auch cheerfull moments, in denen es scheint, dass der Protagonist in seiner Suche nach Sex und einem Rest Lebenslust vollkommen glücklich scheint. Sex als ein Mittel, sich des Lebens zu vergewissern. Geschmackssache ist, wie intensiv der Film Darkroom-Szenen und Leder-SM inszeniert. Er tut es in gewissen Szenen nahezu orgienhaft, ohne jedoch explizit pornografisch zu werden. Manchmal finde ich den Hauptcharakter symphatisch und manchmal war er mir sehr fremd. Liegt aber vielleicht auch daran, dass ich zu weit vorne sass und hin und wieder Probleme hatte, den riesigen Untertiteln zu folgen, sondern lieber den dunkeln aber farbenfrohen ( = Achtung: Psyche des Protagonisten!) Bildern zugeschaut hab.

Der Film ist die Adaption eines Buches, mit dessen Autor die Regisseurin zusammen das Drehbuch für den Film entwickelt hat.

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[Berlinale] Film: The Dying Paul

USA 2005 – Regie: Craig Lucas – mit: Peter Sarsgaard, Campbell Scott, Patricia Clarkson / läuft im Panorama

Mein dritter und erster Film dieses Jahr, den ich äusserst mitreissend fand. Ein Film-Noir um einen Drehbuchautor in Hollywood, der in eine verhängnisvolle Beziehungskiste mit seinem Filmproduzenten und dessen Gattin tappt. Von der Dramaturgie klassisches Film-Noir Genre, vom Setting nicht immer ganz so low-key. Der Freund des homosexuellen Autors ist gestorben und darüber handelt das Drehbuch. Der Produzent möchte, dass das Buch zu einer heterosexuellen Geschichte umgeschreiben wird. Trotz Bedenken willigt der Autor ein. In einem Chatraum begegnet ihm bald sein verstorbener Freund (es stellt sich für den Zuschauer schnell raus, dass es die Frau des Produzenten ist, die sich Informationen über die Beziehung verschafft hat). Darüber hinaus fängt der Autor eine Affäre mit dem verheirateten Filmproduzenten an. Zwischen Chat und Realer-Affäre entwickelt sich zwischen den Dreien ein psychologisches Spannungsfeld, dass den Film zu einen packenden Thriller macht. Nicht nru die Handlung, auch die Visualität des Films macht Spass: die ausgezirkelten, sonnigen Bilder eines Traum-Hollywoods und die Ikonizität von Alltagsgegenständen vs. alptraumhaft aufblitzende Innenwelten.

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