Berlinale 2013

Zu Beginn der diesjährigen Berlinale am Donnerstag vor einer Woche las ich im Büro eine Tageszeitung und dort wurde Wong Kar Wai, das diesjährige Jury-Leittier, zitiert mit der Vorgabe, dass dieses Jahr die Jury nur über die positiven Dinge der im Wettbewerb stehenden Filme streiten und diskutieren möge. Das habe ich mir als wertvolle Vorgabe für meine Berlinale beherzigt. Alles erstmal tolle Filme und tolle FilmemacherInnen. Und es passte. Wieder habe ich mich nicht (wie früher) immer wieder über Filme geärgert *nörgel*. Ich habe mich auf die Filme eingelassen. Auch auf die Wartezeiten zwischen Filmen, und auf die *erstmal* nervigen Gespräche am Rande, aus denen dann doch netter Smalltalk oder zumindest so etwas wie diese diffuse „Berlinalegemeinde“ wird.

„Sind sie einer von diesen Freaks, die hier rund um die Uhr im Einsatz sind?“ wurde ich von meiner Sitznachbarin gefragt. Ich verneinte. Ich sei nur so aus Spaß hier. Weil mir die Atmosphäre gefällt. Endlich fühle sich Berlin mal an wie eine Metropole, man säße andauernd neben so interessanten Menschen und überhaupt. Wir haben uns dann noch über diesen und jenen Film unterhalten. Es stellte sich heraus, dass sie eigentlich eine von den Publikumsvorkaufsfreaks war, die quasi rund um die Uhr im Einsatz sind, um irgendwie an eine Karte zu kommen.

Dieses lästige Vorverkaufsgerangel ist mir ja nichts. Oder gar der Akkreditiertenstrich morgens um 7 Uhr? Ich bin wie letztes Jahr, einfach da wo es zeitlich passte an die Tageskassen gegangen und habe dort geschaut, was mich interessiert und was dann noch als zeitliche Füllfilme geht. Damit bin ich dieses Jahr wieder sehr gut gefahren. Pressekonferenzen und Partys gehören zwar irgendwie auch dazu, aber dafür müsste ich Urlaub nehmen. Ich finde das schön, wenn sich Leute aus unterschiedlichsten Dings treffen, um Filme zu sehen und drüber zu quatschen. Und spannend, wie wichtig sich jeder immer findet. Alles Diven. Damit komme ich klar. Vorneweg natürlich ich, als langjähriger, regelmässiger Berlinale-Gänger (seit 1994, in unterschiedlichsten Akkreditierungsstadien, hohoho, da kann man was erzählen … ) über die langjährige Kartenverkäuferin im Cinestar bis hin zur „Lassen sie mich durch, ich bin Berlinale-Kinderreporterin vom Tagesspiegel“. Super! In so einer Atmosphäre kann ich atmen.

Dazu kommt für mich sicher auch die Änderung, mein Filmtagebuch nicht mehr so sklavisch führen zu wollen, wie ehemals. Ich muss nicht mehr jeden Kinofilm oder auch nur jeden blöden TV-Film, bei dem ich auf der Hälfte eingeschlafen bin, sofort verbloggen. Und es tut auch dieses Jahr zur Berlinale verdammt gut, nicht schon morgens beim Aufwachen den Druck zu haben, über die Filme die man gestern gesehen hat – und ach vorgestern erst – noch schreiben zu müssen und erst recht noch über die Filme, die man heute noch sehen wird. Respekt vor denen, die das schaffen! Alleine wie man Filme schaut, ohne drüber schreiben zu müssen. Nicht schon während des Sehens drüber nachdenken, was man da jetzt schon wieder zu schreiben soll. Sondern. Flow.

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14 schöne, wichtige, sehenswerte Filme. Nein eigentlich 15, mit dem Piratebay-Film „TPB AFK“ (YouTube Link), den ich berlinale-erkältet mit Fieber im Bett auf dem Handy gesehen habe.

Was ich die letzte Woche gelesen habe, aber bisher nicht zu kommentieren wagte* (Nr. 001)

*oder dazu einfach in dem Moment keine Zeit oder keine Muße hatte.

Ich möchte mir angewöhnen, regelmässig (ich nehme mir mal vor „wöchentlich“) hier ein paar Links zu verbloggen, die ich sonst nur beiläufig schnell mal auf Twitter, Facebook, LinkedIn, ADN, quote.fm, Google+ oder auf Diigo gepostet habe oder in meinem Pocket-Archiv schlummern. Da geht das Problem nämlich schon los. Ich erinnere mich oft nicht mehr, wo ich dann den jetzt gerade wichtigen Link eigentlich suchen muss, weil man immer aber nicht immer überall alles teilt. Social Bookmarking Tools haben sich mir nie gänzlich erschlossen. Googlen geht immer schneller. Trotzdem lege ich fleissig seit Jahren irgendwelche mir wichtig erscheinenden Links in Social Bookmarking Diensten ab, auf dass ich die Links bei Bedarf wieder finde. Mit dem Ergebnis, dass ich dort in meinem Archiv meist dann doch nicht mehr fündig werde. In den sich schnell drehenden Netzwerken (wie Twitter und Facebook) gehen Links sowieso zu schnell verloren. Meine Erfahrung hat gezeigt, dass ich im eigenen Blogarchiv noch mal eher fündig werde. Ich vermute, das Bloggen von Links mit etwas Text drumrum fördert das eigene Erinnerungsvermögen, da zeitaufwendiger als mal eben einen Link hier und da zu verstreuen. Daher und auch, weil ich hier und da bei anderen Bloggern kommentierte Link- und Leseempfehlungen durchaus schätze.

Slavoj Zizek: I am not the world’s hippest philosopher! Interview mit Zizek auf salon.com:

„That said, I quite admire the United States and Canada. In some ways, they are better than Europe now. France and Germany, for instance, are currently in a very low state intellectually — especially Germany. Nothing interesting is happening there. Yet it surprises me how intellectually alive The United States and Canada are. Let me give you an example: Hegelian studies. If Europeans want to understand Hegel, they go to Toronto or Chicago or Pittsburgh“

Bis wann wohl auch bei uns bei allen durchgedrungen ist, dass Deutschland schon lange nicht mehr das Land der Dichter und Denker ist, was ja immer mal wieder gerne als Identitätsstiftend hervorgezerrt wird? Und bis wann dann ein Wandel vollzogen worden ist, der intellektuellen Langeweile wieder etwas entgegen zu setzten?

What Happens When You Walk Into a Bar Wearing Google Glasses. Ein gutes Beispiel, wie neue Technologien – so toll die Konzepte auch sein mögen – im sozialen Alltag dann doch etwas länger brauchen, um allgemeine Akzeptanz zu bekommen. Funktioniert es in einer vernünftigen Bar, ohne dass man merkwürdig angeschaut wird, ist die Chance groß, dass es sich durchsetzten wird:

„So, I propose a new trial for our augmented technologies: The Shotwell’s Test. If it can’t pass muster with Madonna and the crowd at the platonic ideal of the bar, it may not be ready for use outside of CES and the office park.“

Was so aber auch wieder sehr konservativ gedacht ist. Ich wurde vor einigen Jahren in meiner damaligen Stammbar vom Barkeeper auch merkwürdig angeschaut, weil ich mit meinem ersten mobilen Datentarif mit auf meinem Handy mit Leuten twitterte oder Fotos ins Internet lud. Inzwischen hat die Bar selber ein Twitteraccount. Naja.

Maps for strategic choices – How they can help and mislead us. Kirill Falkow über Gesellschaftstypologien und das Problem, dass solche allgemeinen Mappings zwar helfen, sich einer Zielgruppe zu nähern, dann aber auch wieder nicht ausreichen, um frische Ideen für z.B. Werbung zu finden:

»So far, I think my whole argument could be summarized as: Thinking in such strategic maps is a good starting point for a conversation that can often be supported by affordable data and even prolonged into media strategy.  But they are not good in helping to come up with actionable, fresh solutions to specific problems – neither to those of our clients nor to those of consumers.«

A Social-Media Decoder. Ein schon etwas älterer (aus dem Oktober 2011), trotzdem lesenswerter Artikel aus dem MIT Technology Review über Social Media Monitoring, Sentimentanalyse und Social TV.

»Recognizing these kinds of connections, sentiment-analysis firms including Trendrr.tv (part of Trendrr) and Socialguide specifically track social response to television content. But Bluefin is unique in also tracking most of what is on TV—including the ads—to draw specific relationships between televised stimulus and social-media response. “What Bluefin is doing is technically impressive,” says Duane Varan, chief research officer at the Disney Media and Advertising Lab in Austin, Texas. Already, it’s becoming possible to measure TV viewership directly through cable boxes rather than […]«

Joey Heindle. Ein #aufschrei.

»Der König des Dschungels ist ein Opfer. Er wird eine kurze Zeit in großen Autos gefahren werden, von Termin zu Termin, von Lanz zu „Explosiv“ zur Möbelmarkteröffnung zur Kirmes im Hunsrück. Wenn er nicht straffällig wird, ist seine Prominenz irgendwann eine nicht mehr gepflegte Internetseite, deren letzter Termin unter „Aktuelles“ fünf Jahre zurückliegt. So wie all die anderen, die in der Karrieredämmerung von irgendeinem Privatfernsehen-Zulieferer im VW-Bus zu korrupten Busenmachern gefahren werden, die für ihre Klinik etwas Promo brauchen.«

Die Hypegesellschaft: Twitter + Shitstorms. Ein kurzer, prägnater Blogtext, den ich als Nachtrag zur #aufschrei-Welle (und allen anderen Hypes, Shitstorms und anderweitig aufgeladenen Medienaktivitäten) noch bemerkenswert finde:

»Zum Thema Funktionsweise von Hypes bin ich zuletzt auf ein interessante Studie gestossen. Man nehme einen Affen und setze ihn vor einen Bildschirm. Der Bildschirm zeigt verschiedenfarbige Kreise an. Immer wenn der Affe bspw. den gelben Kreis antatscht, bekommt er eine Belohnung …«

Slow Commenting – Regine Heidorn. Ein schöner Ansatz: Slow Blogging und Slow Commenting, anstelle sich den täglichen Hypes zu unterwerfen.

Mit Twitters neuem Kurzvideo-Service Vine habe ich hier und hier etwas rum experimentiert. Zeckt mich nicht an, wie auch andere Kurzvideodienste zuvor es nicht machten. Was aber irgendwie was hat ist der Stream aus öffentlichen Vine Videos in Echtzeit aufbereitet auf BeanStalk.TV. So einen Flow könnte man auch als „Social-TV“ bezeichnen, wenn der Begriff nicht schon belegt wäre.

Vier Thesen zur deutschen Film-Blogosphäre. Eine recht treffende Analyse der deutschen Film Blogosphäre, wie ich finde. Und passend dazu ein weiterer lesenswerter Artikel im Filmmagazin artechock.de zum Teufelskreis aus Film-PR, Filmkritik, Filmpublikum. Crisis? What Crisis? Anmerkungen zum neuerdings beliebten Topos der Krise der Filmkritik. Interessant fand ich, wie stark hier die PR zum beinahe alleinigen Schuldigen hochstilisiert wird.

Fünfter Geburtstag.

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(Warten auf Oma & Opa.)

Und schon wieder sind fünf Jahre vergangen. Viel ist passiert und ich habe den Eindruck, die Zeit verfliegt mit den beiden Kindern viel schneller, als in den fünf Jahren davor. Lustiger und lebendiger verfliegt die Zeit auf jeden Fall. Wie das heute vor fünf Jahren war, haben wir eben noch mal nachgelesen: Ein paar blödsinnige Gedanken, ein paar Handyfotos und die Tweets von ihrer Geburt Anfang Februar 2008.

<3

Ich finde …

… vor dem Hintergrund der aktuellen Mediendebatte zu Sexismus ist das Beste, was frauenbewegte Männer tun können, in jedem Männergespräch, das auch nur den Anschein macht, die Kurve ins Frauenverachtende zu nehmen, klar zu artikulieren, dass das gerade sexistische Scheiße ist. Denn: Klare Ansage höhlt den Stein.

Das habe ich mich früher viel öfter getraut. Dort wo mir die Freunde wichtig waren. In der letzten Zeit viel zu selten. Ich bin früher beispielsweise aus ganz angenehmen Kneipenrunden mit Freunden einfach weg gegangen, ohne auszutrinken, wenn einer am Tisch von seiner neuen Bettgeschichte erzählte und es dieses bestimmte Gschmäckle hatte. Noch viel früher, Mitte der 1990er in Berlin-Mitte, wir waren zu dritt, junge, naive Studierende nur, und schon beim dritten Bier platze mir die Hutschnur. Ich habe den beiden gesagt, dass diese Art von Gespräch nicht geht, bin mit dem Rad nach Hause gefahren, wie auf der Flucht. Mir war zum Kotzen, auch ohne gelernten Genderdiskurs. Mit einem davon wohnte ich in einer WG, beinahe Grund, die WG aufzulösen, es wurde folglich also noch gepflegt ausdiskutiert. Vermutlich war diese Bauchreaktion von mir damals der Grund, warum wir drei uns irgendwie immer noch wichtig sind. Die beiden haben sich geändert, oder naja, sie haben sich reflektiert.

Mittlerweile habe ich mich an Alltagssexismus in meinem Alltag gewöhnt und ich sage meistens nichts mehr. Dadurch bin ich Teil davon. Das möchte ich nicht.

Wir Menschen lernen voneinander. Wir müssen uns ständig neu eineichen. Wenn eine/r oder auch mal zwei.drei in diesen Runden nicht mitlachen (oder schweigen!), sondern laut aussprechen, warum das überhaupt nicht witzig ist, dann lachen sicher auch gleich zehn nicht mit und der blöde Arsch steht da.

Zusammenfassend: Viel zu selten. Ich möchte in Gesprächsrunden zukünftig immer sexistische Äußerungen problematisieren.

PS: Und vor der eigenen Tür kehren muss man immer auch, aber das ist eine andere Geschichte.

Kurzurlaub.

Gefrorene Fläche

Heute Vormittag vom Schlachtsee, über Krumme Lanke und Grunewaldsee, durch Schmargendorf und Friedenau zurück nach Schöneberg gelaufen. Dreieinhalb Stunden durch die klirrende Kälte. Das Eis auf den Seen ist schon beinahe tragfähig. Noch sagen sie im Radio, dass das Betreten der Eisflächen nicht sicher sei. Das sagen sie meist auch dann noch, wenn die Leute schon längst auf den Seen Schlittschuhlaufen. Dieses Jahr war ich es, der als Erster Fußspuren auf dem leicht mit Schnee bedecktem Schlachtensee hinterlassen hat. Das Eis knackte laut durch den stillen Wald.

Etwas weiter dann mit einer Hundesitterin gesprochen, während ein Dutzend Hunde um uns herum kreisten. Die Hunde sahen so lustig und glücklich aus! Wie eine Horde tobender Kindergartenkinder. Was für ein Job. Jeden Vormittag unter der Woche führt sie die Hunde der Villenbesitzer durch den Grunewald. Die Hundesitterin meinte, sie glaube, ihre Kunden – also die Menschen – könnten den Wald und die gute Luft meist gar nicht wirklich wertschätzen. Immer so abgehetzt und wichtig seien die. Und die Villen und Gärten seien ja sehr hübsch, sagte sie. Aber dort leben? Dort leben möchte sie dann doch nicht, so eingesperrt hinter Gittern und videoüberwacht. Das war ein schöner Smalltalk. Dabei mag ich gar keinen Smalltalk. Und keine Hunde.

Zurück zu Hause erfüllt mit Wintersonne und Berlinliebe.

Ich habe Kunst erstanden.

Kunst erstanden. Das klingt ja jetzt auch wieder merkwürdig. Als ob man dafür lange in einer Warteschlange gestanden hätte unter Aufopferung all seiner Kräfte. Aber ich habe die Kunst nicht im klassischen Sinne gekauft und nicht ersteigert. Ich habe sie im Gegenzug zu einer Spende für ein Crowdfunding-Projekt als dankende Gegenleistung erstanden. Und das kam so:

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Das Crowdfunding Projekt Anonyme Zeichner wurde von einer Bekannten von mir ins Leben gerufen und hat im vergangenen Monat die gewünschte Finanzierungssumme über die sympathische Plattform Startnext zusammen bekommen. Damit ist es das erste Crowdfunding-Projekt, für das ich gespendet habe, das auch tatsächlich mal das Licht der Welt erblicken wird.

Anonyme Zeichner (auch auf Facebook und Twitter) ist ein Ausstellungskonzept, dass schon einige Jahre in Berlin läuft. Die Idee dahinter ist simpel und einleuchtend. Leute dürfen ihre Zeichnungen einsenden und diese werden dann kuratiert und ausgestellt. Jedoch ohne dass der Name des Zeichnenden in der Ausstellung gezeigt wird. Man sieht nur die Zeichnungen, keine Namen. Anonyme Zeichner eben. Besucher dürfen jedes Bild zu einem Pauschalpreis von 150,- Euro kaufen und erfahren dann erst nach dem Kauf den Namen des Künstlers oder der Künstlerin. Das Spannende daran ist, dass jeder Zeichnungen einsenden darf. Das können professionell als Künstler arbeitende Leute sein, aber auch Hobbyisten, Kinder und Jugendliche, Studierende, wer auch immer denkt, dass eine eigene Zeichnung gut genug gelungen ist. Das heisst, der gesamte Galerie- und Kunstmarktkontext wird mit diesem Konzept gebrochen und das Kunstwerk an sich wieder in den Mittelpunkt der Kunstbetrachtung gestellt. Ich schaue mir ein Bild nicht mehr an, weil ich bewusst in eine Ausstellung eines Künstlers gehe oder ich interpretiere ein Bild nicht mehr durch den Kontext der durch den Namen der Künstlerin und irgendwelchen Bildungshappen festgelegt ist. Man sieht nur das Bild und tauscht sich über das Bild aus. Finde ich gut, die Konzentration auf das Wesentliche.

In dem Fall, dass man auch 150,- Euro auf der hohen Kante hat und bereit ist als Spielgeld auszugeben, bekommt die Sache noch einen zusätzlichen Reiz: Natürlich überlegt man sich, ob ein Bild, das einem gefällt und das man kaufen möchte, das Geld überhaupt Wert ist. Auch hier das Dilemma, dass man sich dabei erwischt, in Kategorien des Kunstmarkts zu denkt. Rentiert sich die Finanzierung? Investiere ich in eine aufstrebende Künstlerin? Oder ermögliche ich doch nur einem Kind den Traum, einen Monat lang täglich 5,- Euro für Süssigkeiten auszugeben? Und wenn es nur das Werk eines Amateurs ist, passt es wenigstens zu meinem Sofa? Es ist ein Spiel, bei dem man ein wenig auf seine kunsthistorische Erfahrung vertrauen muss, aber auch vollkommen daneben liegen kann. Was aber nicht schlimm ist, wenn einem das Bild wirklich gefällt. Doch Geschmacksurteile sind abhängig von Milieus und Kontexten. Und so weiter…

Als nun das Projekt als Crowdfunding Sache gestartet ist, war ich noch mal mehr interessiert, weil Internet. Eine der Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung waren eben besagte 150,- Euro und dafür durfte man sich bei Erreichen der Gesamtfinanzierungssumme eine der Zeichnungen aus dem Archiv der „Anonymen Zeichner“ aussuchen. Die Auswahl der Zeichnungen fand dann über Dropbox statt, wo Scans der Bilder lagen. Eine nochmal sehr interessante Situation! Sehr anders, als wenn man mit einem Bier in der Hand in einer zur Galerie umfunktionierten Ladenwohnung steht und über die Zeichnungen smalltalkt. Hier nun hatte ich 150,- Euro gecrowdfunded (also per se schon mal was Gutes getan) und klickte dann Tage später an meinem Rechner zu Hause einfach durch die Bilderauswahl auf der Dropbox. Da sind viele Bilder, die man wählen würde. Oder anders gesagt, da sind viele Bilder, denen man auf Facebook ein Like oder auf Instagram ein Herz schenken würde. Aber als ich mich da so durch die Auswahl klickte, war ich verdammt verunsichert. Ich musste mich festlegen. Manche Sachen waren doof. Manche sehr schön. Aber würde man die aufhängen und täglich anschauen wollen? Und was ist, wenn das doch nur eine Kinderzeichnung ist, von denen hier bei uns gerade sowieso so viele an den Wänden hängen? Auch die Dropbox-Ordnerstruktur – die Bilder waren in Ordnern sortiert „A3“, „A4, „kleiner A4“ – bot keine wirkliche Orientierung, waren doch alle Bilder auf dem Bildschirm gleich groß. Kurz war da der Gedanke, im Ordner „kleiner A4“ verbirgt sich sicher die Kunst, denn A4 und A3 stehen jedem zur Verfügung. Es war jedenfalls ein großer Spass. Ich war nach einer halben Stunde so überfordert und müde, dass ich am liebsten äußeren Druck aufgebaut hätte (sprich, ins europäische Ausland gefahren wäre und durch die überteuerten Roaminggebühren für Datentarife gezwungen gewesen wäre, mich schnellstens für eine Zeichnung zu entscheiden).

Schließlich habe ich mich für eine Zeichnung aus dem Ordner „kleiner A4“ entschieden. Eine Zeichnung mit Kreide auf Transparentpapier, die mich an eine Szene aus einem amerikanischen Experimentalfilm von Jonas Mekas (glaube ich) erinnert hat. Und die mir gefällt.

Jedenfalls: Glück gehabt. Keine Kinderzeichnung. Die Zeichnung, die ich mir schließlich ausgesucht habe, ist von der schwedischen Künstlerin Etta Säfve, die ungefähr so alt ist wie ich und offenbar relativ anerkannt in Medienkunst was mit Video, 8mm-Film und aber auch Zeichnungen macht. Ganz schöne Sachen, wie ich finde. Es könnte sogar sein, dass ich schon mal was von ihr auf der Transmediale oder am ZKM gesehen habe. Auf ihrer Portfolio-Homepage zeigt Etta Säfve eine Zeichnung aus der Serie, die ungefähr so aussieht wie, die die ich nun hier liegen habe. Toll oder?

Ich habe mich noch nicht entschieden, wo ich das Bild hinhängen werde. Leben mit Kunst, das ist ja dann auch wieder eine Sache für sich.

Ach so, eins noch! Folgt den Anonymen Zeichnern entweder auf Facebook, auf Twitter, oder tragt Euch in die Mailingliste ein. Denn im März 2013 in der  Uferhallen Berlin Update 23.1.13: Galerie Nord/Kunstverein Tiergarten wird es die nächste Ausstellung geben und ich freue mich, mit Euch dort über Zeichnungen zu fachsimpeln.

Wir haben jetzt auch Creepercards zu Hause

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An unserem Esstisch in der Küche wurden jetzt Regeln eingeführt in Form von selbstgemalten Zetteln an der Wand. Es ist ein erster Ansatz, den Kindern so etwas wie „Demokratie“ beizubringen und sich auf ein gemeinsames Regelwerk zu einigen. (Für mich persönlich wäre es in diesen Tagen auch ein Vorschlag, wie man das Creepercards-Gate hätte insgesamt anders angehen können (Hurra, ich verlinke das erste mal seit 2003 Fefe!): Gemeinsam sich auf Spielregeln einigen, statt konfrontativ zu werden und sich die eigenen Betonköpfe einzurennen. Das aber nur am Rande von einem unbeteiligten Beobachter aus der Ferne.)

Zu den Regeln. Die 6 Tischgebote im Hause, die übrigens auch für Besuch gelten:

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1. Kacke-sagen am Tisch verboten. Auch keine sexistische Kackscheisse.

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2. Schubsen am Tisch verboten.

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3. Hauen am Tisch verboten.

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4. Lebensmittel schmeißen während des Essens (hier in Form einer Spiralnudel) verboten.

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5. Daumenlutschen am Tisch verboten.

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6. Kratzen verboten.

Ich bin mir sicher, in den nächsten Wochen wird das Regelwerk noch verfeinert. Ellenbogen, Schmatzen und Popeln werden zügig hinzukommen. Aber auch wir Eltern werden uns noch umsehen: Den anderen nicht ausreden lassen? Verboten. Wörter, die die Kinder nicht hören sollen ausbuchstabieren? Verboten. Ironie und Sarkasmus? Verboten. Während des Essens ins iPhone schauen? Verboten. Demokratie fordert ihre Opfer.

Man kann so viel von der nachkommenden Generation lernen. Mir scheint viel zu häufig, dass sich die eigene Generationssphäre zu sehr um sich selbst dreht. Gefangen in der eigenen Echokammer. Kaum ein Ohr für Ältere sowie Jüngere. Ich freue mich schon sehr auf die Zeit, wenn mir meine Kinder endlich das Internet, Online-Gaming und den ganzen anderen Kram nochmal aus der anderen Richtung beibringen.

Trends sind ja ein sehr flüchtiges Erzeugnis unserer Zeit. Was ist das nächste neue Ding? Wer kann welches Buzzword im nächsten Pitch mit der Essenz eines Trends ausfüllen? Zu jedem Jahreswechsel schleudert jeder eine handvoll Trends hinaus als Wettervorhersage für das neue Jahr. Ich beobachte das mit großem Interesse. Man kann selber seinen Horizont abgleichen, sehen, wer sich mit 4 Jahre alten Trends versucht am Markt zu positionieren, wer an Trends aus dem letzten Jahr festhält (weil das Neugeschäft in der Richtung Platz für Phantasie lässt) und wer wirklich neue Trends aufspürt, die dann in 2-4 Jahren in jedermanns Munde sein werden.

In diesem Jahr ist mir von all diesen Jahreswechsel Trend-Artikeln wenig hängen geblieben. Nur einer: Josh Miller hat seine jüngere Schwester, die in die 10. Klasse geht, befragt, wie sie und ihre Leute Internet, Mobile und Social Networks nutzt. Einge lesenswerte Insights und Gedanken, die vielleicht nicht die Trends für 2013 sind, aber erahnen lassen, wohin die Reise gehen könnte.

Auch beruhigend zu lesen: 5 Trends, die man 2013 getrost ignorieren kann. Darunter QR-Codes (immer noch?!), Big Data (das ging schnell), BYOD, Gamification (endlich!) und Consumer Internet Companies.

Alles Gute für 2013. Zankt Euch nicht so viel.