Einer geht noch

Deutschland 1999, Regie: Vivian Naefe, 99min
:::: gesehen am 11.3.04 auf arte

Einer Wasserbettenfabrik in dem kleinen Ort Lotheim droht die Schließung. Die Stimmung im Ort ist daher nicht besonders gut, denn die Arbeitsplätze der meisten Einwohner Lotheims hängen von der Fabrik ab. Unterdessen trainiert die Damen-Kegelmannschaft für den bevorstehenden Alemannen-Cup. Greta ist die Ersatzspielerin im Damen-Kegelclub, doch findet ihr Einsatz nur zu selten statt; die anderen sind einfach besser als sie. Allein Helen, ihre beste Freundin, glaubt an sie. Während eines Streits mit ihrem Vater erfährt sie zudem, dass er gar nicht ihr leiblicher Vater ist. Auch für die übrigen Damen der Kegelmannschaft scheinen die erfreulichen Seiten des Lebens rar gesät zu sein: da ist Helen, die sich auf der vergeblichen Suche nach Liebe befindet, Roberta, Helens Mutter, die ihr Leben mit dem falschen Mann verbracht hat, Charlotte, die strenge Law-and-order-Polizistin, die eigentlich Lady Di sein will, Angie, die Kneipenwirtin mit dem Faible für Fernfahrer, Regina, die sich für ein Cabrio verkaufen würde, und Mausi, Reginas pubertierende Jüngerin. Ihnen allen fehlt der richtige Sinn im Leben. Doch dann macht die Wasserbettenfabrik endgültig zu und die Männer verlieren aus Ärger über ihre verlorenen Arbeitsplätze die Lust an der Qualifikation für die Teilnahme am Alemannen-Cup. Aber Greta, die sich gerne in das Leben anderer einmischt, um nicht über ihr eigenes nachdenken zu müssen, reißt die Frauen aus ihrer Lethargie und bringt sie auf die Idee, anstelle der Männer bei der Qualifikation anzutreten. Auf einmal entdecken die Frauen ihren Stolz und Kampfeswillen. So bereiten sich sechs Damen mit Greta auf das Turnier vor, Frauen in völlig unterschiedlichen Lebenssituationen. Mit Greta als Maskottchen ziehen sie in den Kampf.

Eine lieb-schräge Geschichte, mit ebensolchen Figuren und der sympathische Grundtenor lassen eher an englische Sozial-Komödien denken, aber dieser 2001 Grimme-Preis-prämierte Film ist tatsächlich eine deutsche Fernsehproduktion. Preisträgerin Vivian Naefe hat hier eine stimmige, witzige und gut getimte und gespielte Milieustudie inszeniert.

Just because it isn’t physical – Hommage

Es ist ja nicht so, als würde mich nichts interessieren. „Was interessiert dich?“, fragte ich mich, bevor sie es aussprach. Es fiehl leicht. Erstaunlich leichter als sonst. „In die Gedanken von Leuten reinkucken.“ Als erstes zitierte ich – ich ärgere mich darüber, dass ich […] jetzt schon süchtig nach den Big Brother-Spacken bin. Is so, wenn die Serialität des Fernsehens auf Bedürfnisse nach Struktur treffen. Soziologiestudium im Nebenfach hin oder her. „Jerry kocht. Ich hoffe, dass er sich vorher die Hände gewaschen hat.“ (Kader eben nebenbei in BB 5 auf Tele5). Großes Kino und trotzdem Manche Menschen machen mir Angst.. Sie schaltete ihr Powerbook ein, wollte wissen, was das ist, ein Weblog.
Was machst du denn da immer?“, fragte N.
„Ich lese Blogs.“
„Blocks?“
„Nein Blogs.“
„Was sind denn Blops?“
„Blogs, Schatz, Blogs. Das sind so eine Art Tagebücher im Internet.“
„Wieso liest du denn die Tagebücher fremder Leute?“ Sie sah mich mit diesem Geh-doch-mit-deiner-Modelleisenbahn-spielen-Gesicht an.
„Weil das interessant ist.“
„Schreibst du auch ein Block?“
Uff. Gute Frage, sehr gute Frage. Schnell eine gute Antwort suchen.

Es war nicht so, , dass ihre blicke sich beim lesen der worte auf der buchseite überlagern und vereinen würden. Ihre freenet-Verbindung war instabil. Trotzdem Interesse. partydroge, sexdroge, keine ahnung. kannte ich nicht, will ich auch nicht kennenlernen, ausprobieren oder propagieren, aber wissen, worum es geht, will ich schon., sie selbst mit regen Chat-Erfahrungen in der Vergangenheit. Stundenlang am Computer sitzen. Sich zwischendurch immer wieder ablenken, abschweifen, zumindest mit den Gedanken. Und natürlich, endlich kann ich stundenlang meinen lastern fröhnen, ewig am pc sitzen, an irgendeinem layout rumbasteln, filmchen schauen, die meine bessere hälfte nicht mag, rauchen in der wohnung (!), soviel bier trinken, wie ich mag – ohne, dass es irgendwie billlig rüberkommt, wenn ich an der flasche nippe. Warum auch nicht? motto des jahres ist ja, hab doch eh keine ahnung und weiß erst recht nicht wie das alles werden soll. deswegen kann ich doch jetzt einfach mal loslegen. Doch Wie wird das erst werden, wenn der ganze Weg nur noch ein tiefes Loch ist und alle Blumen, Büsche, die zwar jetzt noch weitgehend kahl, dann aber vollends Erinnerung sein werden?! Arg harte Zeiten, das. Is so. So schaut’s aus, kid. Und eigentlich: ich will die liebe sehn, wenn ich schon kein Premiere-Abo habe. Noch wahrscheinlicher ist, dass ich ein Durchschnittsidiot bin. Ein Hauptstromschwimmer, der sich selbst erhöht, in dem er sich bei Schönwetter gegen den Krieg, für die Menschlichkeit äußert, doch sobald eine patriotische Propaganda anläuft mit dem gleichen Elan das Töten rechtfertigt… Meistens Nach Pizza und Schnaps. Dann insgesamt sehr wohlwollend den Dingen gegenüber stehe in meinen Gedanken daneben und höre zu und mache mich auch ab und zu darüber lustig, wie lustig alles ist. Doch Manchmal wünsche ich mir, daß die Wölfe lernen, im Rudel zu jagen. Sie wären glücklicher. Haben mein Interesse an Kino und an Blogs was gemeinsam? Meine Erfahrung mit Filmstudenten. Drei grosse Tabus habe ich bei ihnen entdeckt.
1. Kein Sex- Filmküsse in Studentenfilmen sind sehr selten
2. Nichts Soziales- die Wirklichkeit ist Tabu, man könnte ja Preise bekommen, wenn man sich mit Minderheiten auseinanderstzt
3. Keine Kunst- formale Gestaltung ist Out, stattdessen viel Technick und verwechselbare Perfektion.

Nun, ja. Der Mann, der da eben, den WC-Sitz unter dem Arm, bei Rot über die Kreuzung rannte, um noch rechtzeitig zur Bundesliga-Halbzeitkonferenz zu kommen — das war ich. Ich nicht. Ich bin eher wie er. er streckt sich und kommentiert dabei: „erst noch strecken, bevor ich penne.“ doch vorher streife ich durchs gute alte 20six. schön das du da bist … und wünsche «kannst mir morgen danke sagen.» Fast ohne Spuren. So, und wo iss nun mein Link? Letztendlich: Man sollte nicht entspannt nach […] einer halben Flasche Wein postenAlso stand ich verlegen mit meiner Flasche Wein im Flur, in dem eine erstaunliche Ansammlung von Hauspantoffeln an der Wand aufgereiht waren, gleich unter dem Bild von Che Gevara. Und mit einem lauten Tusch anschliessend: general auflösung in der luft.

Weihnachtsstress

Gestern ist mir eine Karte aus meinem Notizblock gefallen. So eine billige Weihnachtskarte: Impressionistische Winterlandschaft in den Bergen. Auf der Rückseite in meiner Schrift die Planung und Ideensammlung der Weihnachtsgeschenke an meine Lieben vom letzten Jahr. Schnaps, Literatur, Kalender, Homepage, Akku-Schrauber, CDs, USB-Stick, Job, Wolldecke, Beleuchtung, ordentliches Kochbuch, Drucker, Blumentöpfe, Kinderbuch, nochmal Literatur („Guter Roman, irgendwas mit starker Frauenfigur und/oder Judentum“). In der etwas genervten Situation da auf dem Treffen sehr beruhigend zu denken, dass zumindest dieser Stress erstmal abgearbeitet ist! Es sind diese kleinen Dinge, die ich mehr beachten muss. Etwa auch durch diese Stadt zu laufen, gerade nicht mehr genau zu wissen, was hier eigentlich so reizvoll dran sein soll, und dann zu lesen: „Happy Hour: Jeden Freitag von 12-13 Uhr 20 Prozent Rabatt auf jedes TV-Gerät“. Krise macht erfinderisch.

Spielfilmsichtung

:::: Spielfilm-Auswahlsichtung für die GFT am 9.3.04

DEVOT
Deutschland 2003 – Regie: Igor Zaritzki – ca. 90min
Deutscher Psycho-Liebesfilm. Eine junge Frau in einer regnerischen Nacht auf einer Brücke. Will sie sich umbringen? Sie wird von einem Mann, der denkt, sie sei eine Prostituierte, mit zu sich genommen. Zwischen den beiden beginnt eine lange Nacht voller psychologischer Spiele um Liebe, Macht und Unterwürfigkeit. Er denkt, sie spielt ihm was vor; sie denkt, er will sie ermorden. Beide begeben sich in die Gefahr, den Tricks des anderen ausgeliefert zu sein und nicht mehr zwischen Realität und Phantasie unterscheiden zu können.
Narrativ wird der Zuschauer mitgenommen auf dieses Verwirrspiel: man weiss nie genau, was Wahrheit oder Spiel ist. Bildlich ist die Verschiebung der Realitätsebenen nicht ganz so spannend inszeniert, bleibt bei klassischem Erzählkinoinszenierung, ohne die etablierte Bildebene zu verlassen und ohne bildliche Phantasieräume zu eröffnen, die die Spannung steigern könnten. Aber die Story/Handlungsebene trägt den Thrill an sich schon sehr gut.

Der Regisseur zur Frage, wer in diesem Film devot ist:
„Devot ist die Person, die jeder der beiden jeweils auf den anderen projiziert. Beide gehen nämlich davon aus, den anderen besiegen zu können, wenn sie ihn den eigenen Spielregeln unterwerfen. Wenn ich glaube, jemanden besiegen zu müssen und zu können, dann gibt es in mir selbst die Figur des Siegers (der Unterwerfer) und die Figur eines Verlierers (der Unterworfene). Wenn ich mich aber mit der Figur des Siegers identifiziere (wie das bei beiden der Fall ist), projiziere ich den Verlierer auf den anderen. Und je devoter der andere ist, desto leichter kann ich ihn besiegen. Doch eine Projektion ist nicht die Realität. So treffen hier zwei Personen aufeinander, die sich nicht einfach in ihrer Opfer-Täter-Rolle ergänzen. Es treffen zwei Kontrahenten aufeinander, die sich beide mit der Rolle des Täter und Spielmachers identifizieren und davon ausgehen, dass der andere schwach und devot ist. So wird jeder der beiden durch die Auseinandersetzung mit dem anderen mit seinem eigenen Abgrund konfrontiert und mit seiner eigenen Schwäche bzw. Verliererseite.
Die Begegnung der beiden war ja von Anfang an keine auf menschliche Nähe gerichtete, sondern eine rein sexuelle, bei der keine Gefühle investiert werden. Zwar schien das Bedürfnis nach dieser Nähe immer wieder einmal präsent gewesen zu sein, wurde dann aber rasch wieder unterdrückt. Möglicherweise aus Angst vor Verletzung oder weil das Katz-und-Maus-Spiel schon zur zweiten Natur geworden ist.
Um dieses Spiel zu durchbrechen, hätte mindestens einer der beiden seine verletzliche Seite (Verliererseite) akzeptieren und zeigen müssen. Das tat aber keiner. So haben sie beide verloren.“

|www.devot-film.de

A SHORT STORY (Opowiadamie)
Polen 2003 – Regie: Marcin Pieczonka – 24min.
Der 14-jährige Maurice liebt es, seine Familie mit einer Super8 Kamera zu filmen: seinen kranken Vater, seine gestresste Mutter und seinen jüngeren Bruder Caspar. Während er den Alltag dokumentiert ist er sich darüber bewußt, wie krank sein Vater ist. Kleines, beiläufig erzähltes Familiendrama. Das Drama entsteht aus Puzzelteilen des Alltags aus der Perspektive des Jungen, schöne Bilder.

JONNY VANG
Norwegen 2002 – Regie: Jens Lien
Die drei sind seit der Kindheit eng miteinander befreundet – Jonny (Aksel Hennie), Tuva (Laila Goody) und Magnus (Fridtjov Saheim). Jetzt sind sie über 30 und manches zwischen ihnen ist anders geworden. Oder wie Jonny es ausdrückt: „Viele Leute glauben, das Leben in Kleinstädten sei weniger kompliziert als in größeren Städten. Aber das stimmt nicht. Das Leben ist nicht kompliziert, es ist komplex.“
Für Jonny ist das kein glückliches Arrangement und er würde es gerne neu ordnen. Kurz darauf wird er überfallen — ein Unbekannter schlägt ihn mit einer Schaufel nieder. Jonny glaubt, dass es da einen Zusammenhang gibt. Der mysteriöse Anschlag ist nur der Anfang einer ganzen Serie von Unfällen und Katastrophen, deren Opfer er nun wird. Aber Jonny Vang ist kein Mann, der deshalb einfach aufgibt! Hab ich im letzten Jahr schon mal irgendwo gesehen.

WOLFSSCHLUCHT
Deutschland 2003 – Regie: Anja Jacobs – 28min.
Von der Filmakademie Baden Würtemberg: Der arme Kinovorführer Abesalom liebt die schöne Lisa. Aber deren Familie hat andere Pläne. Lisa ist dem reichen Büstenhalter-Fabrikanten Ilja aus dem Nachbardorf versprochen. Abesaloms einzige Chance, die Erwartungen der Familie zu erfüllen und Lisa heiraten zu können, ist , ebenfalls ein reicher Mann zu werden. Technisch/handwerklich sehr gut auf Hochglanz-Kino gemacht, aber die Story trägt so gar nicht. Osteuropa-Klisches und nicht bis ins Ende ausgearbeitet Charaktere.

cfork.net

Beim Surfen drauf gestoßen: http://www.cfork.net

„cfork.net serves as a platform for private and public audiovisual experimentations.
it is run by christian frisch who is one third of baumann bernoully frisch studio cooperative for media design in frankfurt, germany, and who is working as a freelancing designer for timebased and interactive media.

cfork.net is a mixed media platform, combinig film, video, music, sound and interactive contents.
while certain parts of cfork.net serve as a christian frisch portfolio, others – e.g. the album.files or the archives – are open for visitors‘ contributions. cfork.net is a link to the creative network it is based on.“

E.K.G. Expositus (die öffentlichen und die künstlerischen Medien)

Deutschland 2003 – von: Michael Brynntrup – 101 min.
:::: gesehen am 8.3.04 / Pressevorführung im Xenon

Filmisches Selbstporträt des Berliner Experimentalfimers und Multimedia-Künstler, was ich eigentlich schon auf der Berlinale sehen wollte, aber irgendwie verpasst hatte.

Katalog Berlinale:
„Das Immanuel-Kant-Krankenhaus in Berlin-Neukölln um Mitternacht. Ein Patient wird gerade eingeliefert. TV-Journalisten sind vor Ort. – Der Anfang einer Geschichte, die sich selbst erzählt. Zu Beginn des Films wird eine dramatische Geschichte suggeriert, die sich im Verlauf des Films zu einer Reflexion über das Geschichtenerzählen entwickelt. Das Filme- und Bildermachen selbst rückt in den Blick. Der Umgang mit Bildern wird auf mehreren medialen Narrations-Ebenen thematisiert, visualisiert und dokumentiert: von der Entstehung (Dreharbeiten) bis hin zur TV-Berichterstattung zu just eben diesem Film, den der Zuschauer jetzt und im ?Original‘ live im Kino sieht. EKG untersucht die Nachhaltigkeit (bzw. Vorläufigkeit) von Erwartungshaltungen in Film und Fernsehen. EKG ist ein dramatischer Film und ein experimentelles Spiel.“

Michael Brynntrup über den Film:
Das Projekt E.K.G. Expositus hatte ich schon seit einigen Jahren vor, seit ich die einzelnen Filme gemacht hatte, die darin als Kurzfilme in voller Länge auftauchen. Sie standen für mich in einem sehr engen Zusammenhang: es ging mir um Untersuchungen des Bildes, um Fragen an das Bild. Unter ganz unterschiedlichen Aspekten nehmen alle drei Kurzfilme darauf Bezug. Das eine ist der Dokumentarfilm Aide Mémoire, eine klassische Interviewsituation. Dann Herzsofort. Setzung II, eine quasi materialbezogene Untersuchung des Bildes und seiner Reproduktionsmöglichkeiten. Und Loverfilm, der fragt, wie das Bild weiterlebt, was von so einem Bild übrig bleibt, wann und unter welchen Umständen es zum Dokument wird, zur Geschichte. Und dann gibt es nicht nur Fragen an das Bild, sondern auch Fragen an den Zuschauer. Das wird besonders im Loverfilm deutlich, in dem er direkt angesprochen und sozusagen zum Kollaborateur seines eigenen Voyeurismus gemacht wird. Jeder von ihnen hat öffentliche Resonanz erzeugt. Ich war überrascht darüber, dass Radio- und Fernsehsender sich gemeldet haben, um über Kurzfilme zu berichten. Und dann hatte ich die Fernsehteams bei mir hier zu Besuch und dachte, das passt eigentlich genau zum Thema der Untersuchung des Bildes: Wenn ich die Medien, die mich besuchen, im Gegenschuss wieder selbst filme oder inszeniere.

Mischung aus Selbstbeschau, filmischem Tagebuch und bildtheoretischer Reflexion. Der Narzißmus geht nicht auf die Nerven, sondern ist ironisierend gebrochen. Im „Loverfilm“ – eine Chronologie der Männer in Brynntrups Leben – glaube ich, A. kurz gesehen zu haben. Muss ich ihn mal drauf ansprechen.

Kinostart: 15.4.04

|Homepage von Michael Brynntrup

Was das Herz begehrt

(Something´s Gotta Give) – USA 2003 – Regie: Nancy Meyers – mit: Jack Nicholson, Diane Keaton, Frances McDormand, Keanu Reaves u.a.
:::: gesehen am 7.4.04 im Filmpalast

Gestern abend mit R. in der Spätvorstellung gewesen. Davor waren wir noch kurz neben dem „Filmpalast“ in dieser Mischung aus American Sportsbar und Berliner Traditionskneipe, und er fing an, über Liebeskummer zu berichten. Keine Ahnung, ob’s in der Situation der richtige Film war. Wir waren zuerst die Einzigen, in der Werbung kam dann noch ein Paar – setzten sich einige Reihen hinter uns. Also ein sehr private Filmvorführung…
Zum Inhalt: Ein alternder Playboy, hat grundsätzlich nur mit Frauen Affären, die 30 Jahre jünger als er sind. Doch nach einem Herzinfarkt, wird er im Strandhaus von Erica, der Mutter seiner derzeitigen Freundin zur Pflege einquartiert. Erstmals ist er längere Zeit mit einer Frau seiner Altersklasse zusammen. Sehr zu seinem Mißfallen – und dem von Erica. Doch die Liebe geht seltsame Wege. Für beide ist die Affäre ein Katalysator zur Veränderung des eigenen Lebenswandels.

Für mich seit einiger Zeit mal wieder ganz normal „einfach nur ins Kino gehen“. Und seit langem ein Film, den ich synchronisiert gesehen habe – und das ist mir ganz schon aufgefallen die ersten Minuten. Etwas anderes sehen, als gesprochen wird. Diane Keaton hat gefallen, Jack Nicholson fand ich ein bißchen übertrieben. Alles warm, leicht und problemlos im Film. Merkwürdig: Die Gestik einer Verliebten bei Keaton erinnerte mich ganz genau an die Gestik von Kathy Holmes (in der Teenager-Soap „Dawson’s Creek“). „Dawsons’s Creek“ hab ich eine zeitlang gern gesehen, weil mich Kathy Holmes an eine Freundin erinnert hat. Genau in dem Augenblick, als sich Keaton und Nicholson das erste mal im Film küssen, meint R. Keaton würde in der Gestik an ebendiese Freundin erinnern.

Der Ku-Damm am Sonntagabend fast hübsch, so verlassen und beleuchtet.

Fit wie ein Gymnastikschläppchen

Da es mir seit einigen Tagen etwas schlapp geht – so von der eigenen Motivation her – schien es mir ganz angebracht gestern beim Warten auf F. in einer dieser im Café ausliegenden Zeitschriften zu blättern und nach einem neuen Hobby für mich zu suchen. Den Scheinschlag hatte ich schnell durch, die Siegessäule auch. Aber dann hat mich was in den Bann gezogen: Sein – eine monatliche Zeitschrift für „Lebenskunst in Berlin und Umgebung“. Kann ja nicht verkehrt sein, dachte ich. Drin ganz viel Esoterik, aber echt ’ne unübersichtliche Menge. Wie man sich und seine Wohnung entschlackt von Giften und Bösen Geistern, wie man seine Lichtgestalt findet um kosmische Transzendenz zu erlangen, wie man eine positive Einstellung zum Geld bekommt. Ich war wirklich erstaunt über die Differenzierung der Szene. Da kann man sich ja wohl ganz schön drin verliehren. Hab kurz überlegt, ob ich da nicht mal hingehe: „Stille Meditation, kostenlos, 2 Stunden, früher gehen ist ok…“, oder vielleicht doch lieber zur „Vollmondzeremonie zum Fischevollmond in der Jungfrau, Thema: Glaube und Analyse“. Aber bevor ich dann tatsächlich ernsthaft drüber nach dachte kam F. und wir haben uns über Kino und Jobperspektiven unterhalten. Am Ende des Abends dann doch etwas motiviert, im Briefkasten Post von der Krankenkasse gefunden, mit der Ankündigung einer deftigen Nachzahlung an sie. Schock! Wird wohl wieder erstmal nichts mit einem neuen Rechner.

Wer wird Chef der neuen Medienboard?

Dieser Artikel: Es muss nicht alles Fiktion bleiben (Tagesspiegel, 1.3.04), erschienen am letzten Montag, war Gegenstand des gestrigen Abends auf dem „Open Forum“ der film.lounge.berlin. Die Programmankündigung:

Anlässlich der Konstituierung der Findungskommission zur Neubesetzung der Filmboard-Indendanz (Mitglieder: Nico Hoffmann, Dieter Kosslik, Petra Müller, Katrin Schlösser, Alexander Thies) öffnen wir das Mikro für eine offene Diskussion über die Zukunft der Filmförderung im Rahmen der neuen Medienboard Berlin Brandenburg GmbH.

Petra Müller, die neue Medienboard-Geschäftsführerin, stand auf dem Podium Rede und Antwort, rechtfertigte sich für obiges (teilweise flasch wiedergegebenes) Interview mit ihr im Tagesspiegel und hörte sich die Kritik und Ängste der Anwesenden aus der Filmbranche bezüglich der neu zu besetzenden Intendanz an.

Der Hintergrund: Die Berlin-Brandenburgische Filmförderungsanstalt „Filmboard“ heisst jetzt Medienboard. Der bisherige Intendant und Geschäftsführer Prof. Keil wird zum April ans Erich Pommer Institut wechseln und bis Ende des Jahres nur noch beratend beim Medienboard arbeiten. Wer den Job ab April übernimmt, ist noch nicht geklärt. Die Findungskommission hat sich entschieden, in den nächsten Tagen die Stelle auszuschreiben, obwohl es auch eine interne Liste an möglichen Kandidaten gibt.

Die Angst, wann über die Besetzung entschieden wird und ob das Förderjahr gefährdet sei, stand im Raum. Kritik an der Arbeit der Findungskommission, die Stelle auszuschreiben, anstelle der gezielten Suche eines Nachfolgers. Befürchtungen, die Entwicklung vom neuen Medienboard gehe an der Branche vorbei. Kritik an der Zusammensetzung der Findungskommission (nicht branchennah genug).

Keil betonte, dass die alte Filmboard ganz bewußt eher staatsfern gedacht war, die neue politische Dominanz der Medienboard sei als Signal gedacht. Gegen Ende dann das Problem, ob der Aufsichtsrat sich den festgelegt hätte, ob die neue Intendanz auch gleichzeitig Geschäftsführung der Medienboard sein wird – Antwort: kann, muss aber nicht. Man hält sich´s offen, habe noch nicht entgültig entschieden. Worauf die – tatsächlich gerechtfertigte – Kritik aufkam, warum das mit der Ausschreibung noch nicht klar sei, schließlich müsse das doch mindestens für den Findungsprozeß feststehen. Tatsächlich eine lustige Vorstellung, wenn in der Ausschreibung das Anforderungsprofil lauten würde: herausragende künstlerisch/inhaltliche Kompetenz in der deutschen Film- und Medienlandschaft, wowie fundierte, kaufmännische Fachkenntisse in Filmökonomie, zweiteres kann, muss aber nicht…

Und was noch auffiehl: Diese alte Trennung zwischen U und E in der Branche. Echt, als ob man beim falsch gelesenen Adorno hängen geblieben sei. Dass Leute Angst haben, ihre ambitionierten Kinofilmproduktionen nicht mehr umsetzten zu können, weil die neue Ausrichtung vielleicht stärker Fernsehen fördern könnte. Ich glaube, da muss jemand mal über seinen engen Tellerrand hinwegsehen. Hängt doch alles zusammen. In vielen kreativen Kinoprojekten steckt auch TV-Geld drin. Und für viele Produktionen gehört Fernsehen eben zum alltäglichen Geschäft, um die Strecke zum nächten Kinofilm zu überstehen.

Es war alles recht interessant, aber teilweise für mich die Aufregung nicht ganz nachvollziehbar. Hat mich an meine hochschulpolitischen Zeiten erinnert. Da waren auch alle Studierenden aufgeregt, als die Institutsleitung wechselte und nicht klar war, was sich an der Lehre und der inhaltlichen Ausrichtung des Fachs ändern wird. Jedenfalls scheint es so, dass die Branche mit Prof. Keils Arbeit der letzen Jahre als Intendant und Geschäftsführer der Filmboard recht zufrieden sind und die Unsicherheit über die zukünftige personale und inhaltliche Ausrichtung der Filmförderung nicht gering ist. „Wir haben kein Bock auf Insolvenz“, meinte einer aus der Publikumsrunde…

|film.lounge.berlin: Empfehlung an die Findungskommission zur Auswahl der neuen Filmboard-Intendanz (27.2.2004)
|„Medienboard Berlin-Brandenburg: Neuer Aufsichtsrat, Intendantensuche (03.02.2004)