Der Soundtrack meines Lebens – Teil 1

Inspiriert von Bosch seiner Blogparade: Soundtrack seines Lebens (und weil ich gerade überhaupt nicht mit dem voran kommen, was ich eigentlich machen wollte) werd ich heute mal beginnen, ein wenig in meiner Musiksozialisation zu kramen. Ich denke, das ist nicht uninteressant und in lockerer Folge, kann man das durchaus mal machen.

Es begann mit Karel Gott in einem nicht wenig unbekannten Land aber dafür vor relativ langer Zeit. Von 1977 ist der Titelsong der Kinderserie „Die Biene Maja“ und ich bin damit vermutlich mit fünf Jahren in Berührung gekommen. „Die Biene Maja – Folge 5“ war meine allererste eigene Schallplatte. Schallplatte wohlgemerkt, denn CDs kamen meinen Eltern erst weit nach meinem Auszug Mitte/Ende der 1990ern ins Haus. Man wusste ja damals nicht, ob diese neumodische Technik sich durchsetzten würde. Folgerichtig haben meine Eltern auch bis heute noch keinen DVD-Player.

Meine Eltern hatten sich im Anschluss an oder zusammen mit einem Schwarzweiss-Fernseher von Blaupunkt Anfang der 1970er eine Kompaktanlage gekauft, die Radio und Schallplatten in Stereo spielen konnte. Das war seinerzeit ein ganz schickes Ding, weiss-schwarzes Design, Rauchglasabdeckung aus Plastik, abgerundete Ecken angelehnt an so Klassiker von Braun mit zehn berührungsempfindlichen Senderstationstasten. Für die damalige Zeit ein Novum: eine Schaltung basierend auf Sensoren, die nicht auf Druck, sondern auf Berührung reagierten! In Miniatur heute perfektioniert in Touchscreens vorzufinden. Und ja, man konnte die Stationstasten auch mit einem befeuchteten Wattestäbchen bedienen.

Auf dieser Radio-Schallplatteneinheit lernte ich also die Kunst des halbautomatischen Schallplattenspielens. Die Tonträgersammlung meiner Eltern war nicht sonderlich interessant für einen Fünfjährigen. Als Erstgeborener war ich folglich umso glücklicher, meine erste eigene Kinder-LP geschenkt zu bekommen. Auf der Scheibe war die Tonspur der TV-Serie, also die Folgen „Wie die Grille befreit wurde“ und „Max wird operiert“ auf Seite 1 und „Maja und die kleine Raupe“ sowie „Die Fahrt in der Limonadenflasche“ auf Seite 2. Vorneweg trällerte Karel Gott immer das Biene-Maja-Lied und als ich der Hörspiele statt wurde, habe ich lediglich immer und immer wieder die Titelmelodie gespielt. Ich erinnere mich, dass dadurch ganz zuletzt auch ein Sprung in der Schallplatte gekommen war, sodass lediglich der sich wiederholende Loop von Karl Gotts gesungenem „Maaaaja *knack* Maaaaja *knack* Maaaaja *knack* …“ für einige Tage meine Kindheit vertonte. Die rechte Lautsprecherbox der Anlage gab, so ich mich recht erinnern kann, schon in den frühen 1980ern den Geist auf.



Die Biene Maja (5), Produktionsjahr 1977

Pilot der Webisode „Prenzlbasher“ online


Am 13.6.2009 startet eine neue Webisode auf Myspace: Die Prenzlbasher.

Sechs Pseudoaktivisten haben sich über ein Weblog zusammengefunden, um gegen die Verspießerung des Berliner Stadtteils Prenzlauer Berg zu kämpfen. Die Kampfansage gilt den Bio-Muttis, den Luxuskarren aus Stuttgart und auch ein wenig der Digitalen Bohème: Geht zurück wo ihr her gekommen seid. Doch im Kampf gegen die Gentrifizierung übersehen die Aktivisten, dass sie auch ein Teil des Übels sind.

Folgend der Pilot der Webisode:
Prenzlbasher Pilot

Ich weise deswegen darauf hin, weil ein Bekannter hat’s gemacht, und ich musste eben beim Sehen tatsächlich zwei-dreimal über die Dialoge schmunzeln. Könnte gut werden.

Überhaupt, Webisodes und Mobisodes! Damit müsste ich mich ja eigentlich auch mal etwas mehr beschäftigen. Doch jedes mal, wenn ich wieder so eine Sache sichte, schüttelt es mich. Meistens fand ich eher miese Produktionsqualität, miese Dialoge, miese Schauspieler. Mich erinnert das dann alles zu sehr an diese Serien im Offenen Kanal. Und auch das Themenspektrum – ach – schrecklich, schrecklich, schrecklich. Ich hab mich jedenfalls noch nie so recht als Zielgruppe einer Webisode gefühlt. Wie seht ihr das? Was gibt’s denn da so eigentlich alles seit den letzen drei Jahren nach Lonely Girl 15? Das letzte, was ich mir ein wenig angesehen hab ist Candy Girls. Was für Webisodes oder auch Mobisodes sind denn sonst noch so für +25 gemacht und zu empfehlen?

Film: Die Dolmetscherin

:::: vorhin gesehen auf RTL

(The Interpreter) USA, UK, Frankreich 2005 – Regie: Sydney Pollack – mit: Nicole Kidman, Sean Penn, u.a.

Thriller um Nicole Kidman, die als Dolmetscherin bei der UNO arbeitet und zufällig ein Gespräch über ein geplantes, politisches Attentates mithört. Sean Penn als Security-Mann und frischer Witwer ermittelt gegen sie. Zunächst glaubt er ihr nicht, am Ende der Hauch einer Romanze zwischen Opfer und Beschützer.

Ich persönlich finde so etwas ja für Sonntagabend spannender als Tatort. Mehr Spannungsbogen, mehr Gefühlskino, mehr Weltthema. Auch nach unserem Erlebnis in der S-Bahn passte die zugrundeliegende Dialektik des Films „Waffengewalt vs. diplomatische Worte“ gut. Aus der Wikipedia zum Film noch Wissenswertes, worüber wir uns beim Sehen auch Gedanken gemacht haben: Es ist der erste Film, der innerhalb des Hauptsitzes der Vereinten Nationen, darunter im Saal der Generalversammlung, gedreht werden konnte. Und: Für ihre Rolle in diesem Film lernte Nicole Kidman Flöte spielen und Vespa fahren. Schönstes Zitat: Nicole: „Wussten Sie, dass die häufigste Todesursache bei Bibern umstürzende Bäume sind?“ Sean: „Ja, das wusste ich.“

Zivilcourage

Zivilcourage

Heute in der S-Bahn auf der Fahrt in den Wald geschah jene Situation, von der immer gesprochen wird im Zusammenhang mit Zivilcourage, und von der man hofft, nie hinein zu geraten. Bei der Einfahrt in den S-Bhf. Zehlendorf schubste plötzlich ein jüngerer Mann einen älteren Herren so stark um, dass dieser umfiel und sich den Kopf stieß. Der ältere Herr war ganz ruhig, Schrecksekunde. Aber auch alle anderen Passagiere im Wagen verharrten in vagotoner Schockphase. Der Ältere stieg aus, der Jüngere ihm hinterher bis an die Tür. Dort standen sie sich noch machthaberisch solange gegenüber bis der Zug losfuhr. Schweigen im Zug, alle starrten weg, der Arsch setzte sich dann wieder.

Keiner hat sich getraut, etwas zu sagen oder zu machen. Ich hab nicht mitbekommen, was die Ausgangssituation war. Ich war nur gelähmt. Meine Liebste nahm schließlich zwei Haltestellen später all ihren Mut zusammen, bat den Zugführer, den Zug nicht weiter fahren zu lassen und die Polizei zu verständigen. Es gab eine Argumentation, der Arsch kam hinzu und nach kurzem aggressiver Wortwechsel mit anderen hinzu kommenden Zeugen verpisste der Typ sich schließlich. Bei mir dauerte es noch eine Stunde, bis das Adrenalin im Körper wieder runter war und ich an was anderes denken konnte. Es war zum Glück nur ein aggressives Geschubse, keine Fäuste, keine Waffen. Das Opfer wirkte auch nicht verletzt. Trotzdem extrem uncool.

Seid ihr auch schon mal in solche Situationen geraten? Wie habt ihr da gehandelt? Was für Methoden zur Deeskalation gibt es in solchen Fällen? Ich glaube, ich möchte demnächst mal ein Deeskalationstraining machen. Mag wer mitkommen?

Film: Eden Log

:::: gesehen am 6.6.2009

Frankreich 2007 – Regie: Franck Vestiel – mit: Clovis Cornillac, Vimala Pons, Zohar Wexler, Sifan Shao, Arben Bajraktaraj

Dunkelheit, Schlamm und ein Mensch. Keine Höhle, sondern ganz tief, unterirdisch in einer zerstörten Laboranlage wacht die Hauptfigur ohne Erinnerung auf. Er will zurück an die Erdoberfläche. Leichen, monströse Zombies, Computerlogbücher und einige wenige Überlebende zeugen auf seinem Weg von einem katastrophalen Bio-Experiment in einer technoiden Zukunftswelt.

Ein wenig Platons Höhlengleichnis als Grusel-SciFi, ein wenig Garten Eden und ein Baum der Erkenntnis. Der Film hat mich überrascht, verwirrt und gefesselt. Ein herrlich dystopischer Science-Fiction. Mit relativ einfachen Effekten, Metaphorik und audiovisueller Detailliebe werden sehr verstörende Bildwelten geschaffen und eine packende Handlung erzählt, die der Dramaturgie eines Computerspiels gleicht, nach oben an die Erdoberfläche strebt, aber an keinem Punkt vorhersehbar ist. Der Zuschauer weiss genau so wenig wie der Protagonist. Erst langsam fügen sich die Puzzleteile der Katastrophe zusammen. Und wenn man dann noch erfährt, dass das erst der Debütfilm des Regisseurs Franck Vestiel ist: Respekt.

Deutsche Homepage zum Film: www.edenlog.de

Team „Pedobär“ macht 4. Platz beim 14. Berliner Filmtablequiz

(EDIT, 4.6.09, 20:34) Um weiteren Missverständnissen vorzubeugen: In folgendem Text geht es mir nicht darum, den Event zu kritisieren, zu bewerten oder schlecht zu machen. Auch geht es nicht darum, jene, die Spass an Spieleabenden haben, zu beurteilen oder gar nieder zu machen. Ich gebe zu, manchmal lasse ich mich gern hinreißen, Negatives auf mein Umfeld zu projizieren, wo es im Kern natürlich um einen selber geht. Wer macht das nicht gelegentlich? Dieser Text hatte für mich gestern Nacht nur die Funktion, angestaute Luft abzulassen, weil ich nicht schlafen konnte und ich momentan sehr viel über meine ambivalente Haltung mir selbst gegenüber nachdenken muss. Es geht rein um mich und meine Haltung und um Veränderungen, an denen ich gerade arbeite. Vor diesem Hintergrund bitte ich diesen Text zu verstehen und nicht immer alles für bare Münze nehmen. So, jetzt locker weiter im Text.

Ich komme gerade von wo her, da wollte ich eigentlich gar nicht hin. Und ich hab eine gewisse Unmut im Bauch, dass ich mich doch wieder entgegen meines Willens breitschlagen lassen habe, da überhaupt hin zu gehen. Keine Anklage. Jeder soll ja in seiner Freizeit machen was er will. Und eines der verwunderlichen Argumente für den Abend war ja auch „unter Leute kommen“. Das kann ich an sich ganz gut immer überall. Herrscht bei mir subjektiv jetzt auch kein Mangel vor. Eher umgekehrt, ich wäre ganz gern mal mehr unter mir momentan. Im Zweifelsfall ist man ja auch in der U-Bahn unter Leuten.

Das Berliner Filmtablequiz hat sich unter einigen mir besser, locker und überhaupt nicht bekannten Twitterern als spassig etabliert. So kam ich heute auch mal dazu: mal schauen, was das überhaupt ist, Bierchen trinken und bisschen mit nicht-vorhandenem Filmwissen aus dem Studium der Filmwissenschaft scheitern. Und das ist auch alles spassig, wenn man gerne Spiele spielt und sich auch ansonsten gern in prüfungsähnliche Situationen begibt.

Ich hasse Spieleabende, weil ich Wettkämpfe nicht leiden kann, ich nicht gerne Strategien plane, ich Roleplay nicht mag und den Zufall als tragendes Handlungselement in meinem Leben nicht akzeptiere. Ich erlebe Spieleabende meist als immense Zeitverschwendung, ich lerne kaum etwas. Wenig über mich noch weiger über die Mitspieler. Mein Spassempfinden reduziert sich auf Knabberkram. Spiele sind Rituale, gemeinschaftsbildend und damit verbindend. Klar. Ich fühl mich danach meist nur leer und habe nichts gespürt. Das mag angenehmer Zeitvertreib sein, für mich sind Spieleabende die Klowände der Zeit.

Von ca. 30 Teams habe wir als Team „Pedobär“ den 4. Platz gemacht (irgendwie musste man da was eintragen in so ein Feld „Teamname“ und Plom ist dann der Pedobear eingefallen und ich hab das dann aus Tüddel etwas verfremdet auf den Zettel geschrieben). Gewonnen haben wir vor allem wegen dem lexikalischen und emotionalem Filmwissen von @thetruemilhouse und @plomlompom. @mspro hat seiniges dazu getan und ich habe als Schriftführer die Sache kanalisiert und auf Papier gebündelt. Gewusst habe ich ziemlich nichts und das wusste ich schon vorher, denn derartiges Quizwissen merke ich mir nicht, interessiert mich nicht. Meine Qualitäten sind da mal wirklich andere.

Kurz mal noch den Abend durchgerechnet, damit ich wenigstens etwas gelernt habe: Gezahlt hat jeder 5,- Euro Eintritt. Ca. 30 Teams mit im Schnitt 5 Leuten ergibt an der Abendkasse 750,- Euro. An der Kasse konnte man sich kostenlos eine Zitty mitnehmen. Also war das alles schon gleich ein verkapptes Zitty-Promo-Ding mit Eintritt. Für mich kein Argument, dass wegen der kostenlosen Zeitschrift der Eintritt nur 1,80 gekostet hätte. Erstens, ich wollte keine Zitty, zweitens steigern kostenlose Exemplare die Auflage, fließen folglich in die Mediadaten ein, steigern schließlich die Preise für Anzeigenplätze. Fünf Euro sind kein Ding an sich, wenn was geboten wird. Für so ein halboffizielles Zitty-Promo-Ding an sich aber auf den ersten Blick schon erstmal etwas naja. Dann noch Theke: Beck’s für 3,- also, jeder von den 150 Leuten vielleicht 2-3 Getränke – also zwischen 900,- und 1350,- Umsatz an Getränken. Wenn’s gut läuft also ein runder 2500,- Abend. Sind keine Millionenumsätze, muss man fair bleiben. Ich bin für 5,- Euro Eintritt und 3 Getränke einfach schon besser auf meine Kosten gekommen. Und wenn ich mir einfach einen Film in Kino angesehen hätte.

Virtuell einschlafen beim DVD-Schauen

Bin eben zufällig auf youfellasleepwatchingadvd.com gestoßen, eine Single-Service-Site, die nur den einen Nutzen hat, das wohlige Gefühl zu simulieren, dass einen beschleicht, wenn man beim DVD-Schauen auf dem Sofa eingeschlafen ist und sich im Loop das Menü der DVD wiederholt.

Auch im Bezug auf Marketing eines Filmverleihs oder eines Filmlabels für DVDs im Internet vielleicht eine nette, kleine Idee?

Zur öffentlichen Anhörung des Gesetzentwurfes der Sperrung von Kinderpornographie im Internet

Uff. Alleine die Titelfindung für einen Blogartikel darüber ist schon derart mühsam, dass es einem Zahnschmerzen bereitet. Jedoch die Sache will mir nicht so recht aus dem Sinn. Deswegen bringe ich ein paar Gedanken zusammen, die mir gestern und heute mit dem Kind auf dem Spielplatz so durch den Kopf gegangen sind.

Nur kurz einführend für meine Eltern und jene, die es immer noch nicht mitbekommen habe: Es ist Wahlkampf in Deutschland. Familienministerin Ursula von der Leyen hat offenbar einiges an Arbeit in ihrem Ministerium aufzuholen und haut im Schnellschussverfahren eine spinnerte populistische Idee nach der anderen raus (Die Pannen der Frau von der Leyen). Eine dieser Pannen ist ihr Vorstoß mit einem Gesetzentwurf, der das Sperren von Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten vorsieht. Klare Sache: gegen Kinderpornographie vorzugehen ist sehr wichtig, dagegen kann natürlich keiner etwas haben. Superthema also auch für den Wahlkampf der Frau von der Leyen. Doch der Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen [PDF], der durch die Familienministerin veranlasst und von CDU/CSU sowie der SPD vorgelegt wurde, ist handwerklich fehlerhaft, gefüllt mit mehrfachen verfassungsrechtlichen Problemen und sieht praktisch eine polizeistaatliche Kontrolle des Internets vor, die einer Zensur gleich käme. Mit dem Vorwand, es gehe gegen Kinderpornographie vor, würde das Gesetz in vorliegender Form einen Mechanismus schaffen für weitreichende, staatliche Kontrolle vom Internet. Vor Wochen hatte ein Artikel in der c’t das Dilemma recht deutlich zusammengefasst. Leute, die sich bisschen besser als ich mit dem Internet auskennen, haben schnell darauf hingewiesen, dass das Gesetz ziemlicher Mist ist, gefährlich und reine Symbolpolitik, die nichts bringt und Augenwischerei sei. Schlimmer noch, statt eines bürokratischen Schildbürgerstreichs, geht es um ziemlich wirksame Sperrmethoden. Auch der NDR hatte dazu einen Fernsehbeitrag in ZAPP (youtube direktlink).

Zum Glück gibt es eine Petition gegen den Gesetzentwurf, die innerhalb von vier Tagen eine Rekordzahl an Bürgern unterzeichnet haben (in diesem Moment sind es 101.286 Personen), womit schließlich eine recht breite Presseresonanz erfolgte und schließlich auch im SPIEGELlonline ein Interview mit der Familienministerin über ihren Zensurvorschlag, das Markus auf netzpolitik.org kurz analysiert hat.

Gestern Vorgestern nun war die öffentliche Anhörungen des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum Gesetzentwurf. Mit dem offiziellen Ergebnis auf der Internetseite des Bundestages: Kinderpornografie-Sperren im Internet umstritten. Die Sache würde live vom Bundestag im Internet übertragen, die Server waren überlastet, BundestagTV hatte – so hörte man – noch nie so viele Zuschauer. Die Anhörung wird sicher bald im Archiv der Anhörungen des Ausschuss für Wirtschaft und Technologie zu finden sein.

Womit wir nun da sind, wo wir heute sind. Ein verflixtes Spiel, viele wirre Gedanken und wenn mir eines beim Sehen der Übertragung der Anhörung klar geworden ist: keiner weiss nichts. Alle Experten machen den Eindruck, als wenn sie nicht so recht weiter wissen, wie man da jetzt weiter vorgehen soll. Denn zu komplex ist die Sache – rechtsstaatlich wie technisch und nun ja, es ist Wahlkampf. Die Sache hat jetzt so viel Aufsehen erregt, dass sie vom sicher geglaubten Wahlkampfthema zum Wahlkampf-Flopp werden könnte. Die Emotionen sind aus der Debatte raus. Das Schlimmste, was der Familienministerin passieren konnte, ist die nun stattfindende, sachliche Diskussion ihres Gesetzentwurfes, den die Experten des Ausschusses mehrheitlich als zumindest problematisch erachten.

So wird überall berichtet, dass die Anhörung zu Kinderporno-Sperren ein „Strauß verfassungsrechtlicher Probleme“ offenbart hat und heftiger Lobbybetrieb vor der Anhörung zu Web-Sperren zu vermerken war. Im Bundestag diskutierten Experten über Sinn und Unsinn von Netzsperren. Vorbehalte gibt es viele, aber das wichtigste Ergebnis lautet: Die Debatte wird endlich sachlicher und CDU-Familienministerin Ursula von der Leyen hat gleich mit zwei Gesetzesprojekten Schiffbruch erlitten. Sowohl ihr Vorhaben für mehr Kinderschutz als auch ihr Vorgehen gegen Kinderpornografie im Internet fielen bei Experten-Anhörungen durch. Ein PR-Gau für die Familienministerin.

Ohnmacht ist es, was ich spüre. Und noch mehr Links dazu zu sammeln, hilft auch nicht weiter. Ich habe die Anhörung per Audiostream im Büro verfolgt, während ich für die Firma wieder Millionendeals einfädelte und abgewickelte. Dazu selbstverständlich die Berichterstattung von einigen der Anhörung beiwohnenden Twitterern @mspro, @timpritlove, @zufall und @spreeblick (von denen man sicher jeweils noch einen detaillierten Text über die Anhörung erwarten darf (!)). Abends wurde die Anhörung dann vom BundestagTV nochmal wiederholt, hab ich auch reingeschaut.

[Update: mspro berichtet optimistisch und gibt ein wenig Einblick in das informellenTreffen mit der SPD, dass im Anschluss an die Anhörung stattfand: Politik. Jetzt neu: mit uns!]

Erleichtert bin ich, dass das Thema mit angemessener, sachlicher Komplexität rüber gekommen ist. Und doch würde man sich wünschen, dass einer der Experten einfach mal aufsteht und offen, lautstark sagt, was für ein Quark das alles ist. Wohl genauso wenig kann man jedoch erwarten, dass Blogger in einem Werbespott für einen großen Mobilfunkbetreiber in irgendeiner Form subversiv werden würden. Es ist doch überall das Selbe. In der Politik: viele Worthülsen und ritualisierte Staats-Anbiederung. Ich habe mir nur mal eine der Expertinnen herausgepickt, weil sie aus der mir nahen Fachrichtung kommt und ich hoffte, wir sprächen die selbe wissenschaftliche Sprache: Die Medienwissenschaftlerin Dr. Korinna Kuhnen, mit ihrer Dissertation über Kinderpornographie und Internet. Liest man ihre sechsseitige Stellungnahme [PDF], ist klar: ja, sie befürwortet die Maßnahme, überhaupt gegen Kinderpornographie vorzugehen und ihre Einwände sind auch deutlich, wenn auch abschwächend formuliert. Allerdings ergeben sich bei der momentanen Planung zur konkreten Umsetzung der Zugangserschwerungen mit dem nun vorliegenden Gesetzentwurf aus meiner Sicht durchaus verschiedene Lücken (siehe 3.), die z.T. Fragestellungen hinsichtlich einer technisch wie rechtlich (und rechtsstaatlich) sauberen Umsetzung aufwerfen – und die mutmaßlich auch deshalb eine breite gesellschaftspolitische Diskussion in Gang gebracht haben. Diese Punkte sollten zunächst umfassend und abschließend geklärt werden. Daher halte ich den Entwurf, dessen Grundidee ich unterstütze, in der derzeitigen Form jedoch für nachbesserungswürdig. Schwächer und relativierender hätte ich einen Widerspruch auch nicht formulieren können. Unter Punkt 3. nimmt sie dann Stellung zu den Punkten „Spezialgesetzliche Regelung statt Änderung des Telemediengesetzes“ (wegen des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und in das Fernmeldegeheimnis), „Ausschließen einer Ausweitung auf andere als kinderpornografische Seiten“ (Maßnahme sollte klar und ausschließlich gegen Kinderpornos sein (nur was ist das im Detail?)), „„Löschen vor Sperren“: Strikte Einhaltung der Subsidiarität und Begrenzung der Sperrliste auf Angebote, die auf außereuropäischen Servern lagern“ (Löschen sollte Vorrang haben vor Sperrung), und schlägt schließlich „(Richterliche) Kontrolle der durch das BKA erstellten Sperrliste“ (für die rechtsstaatliche Absicherung) vor. Und ganz zuletzt fordert sie das „Kommunizieren einer realistischeren Erfolgserwartung bzgl. der Maßnahme“ (wie wär’s überhaupt erstmal mit einer realistischen Erfolgserwartung) und „Verstärktes Verfolgen weiterer Ansätze in Strafverfolgung und Prävention“ (und da erst kann sie eigentlich als Psycholgin wirklich Expertise leisten). Das ist alles richtig. Und doch, in der mündlichen Prüfung Anhörung kam sie mir zumindest lediglich als neutrale Befürworterin von Frau von der Leyens Gesetzentwurf rüber. Zu viel Textgeschwurbel. Zuviel Anbiederung. Nicht nur bei ihr, sondern bei vielen Stellungnahmen der Experten. So mein Eindruck. Wohl auch, weil ich diese Form der politischen Sprache nicht gewöhnt bin. Man sollte auch nicht erwarten, dass bei so einer Anhörung irgendetwas Unvorhergesehenes passieren würde. Alle Pressemitteilungen der Fraktionen werden schon Tage vorher vorformuliert, die Formulierungen finden dann repräsentativen Einzug in die Sitzung, gehen dann als sich selbst bestätigende Mitteilung an die Presse. So funktioniert PR, muss man sich nicht drüber wundern. Schön, dass zumindest einige Teile der Presse das Thema jetzt derart auf der Agenda haben, dass die Verlautbarungen nicht mehr nur abformuliert werden.

Eine politische Analyse zur Anhörung gerade eben online gegangen bei netzpolitik.org: Anhörung zu Netz-Sperren im Bundestag: Niemand hat die Absicht, eine Zensur-Infrastruktur zu errichten

Sprache ist so eine Sache. Es ist ein Unterschied, ob man sagt, der Gesetzentwurf sei „eine Verkettung unglücklicher Umstände die zum Tod der deutschen Online-Wirtschaft führt“, oder ob man lautstark ruft, „die Wahrheit über die Zensurpläne des Wirtschaftministeriums“. Jovelstefan und Sven haben im Hamburger zum Mittag Podcast Nr. 53 analysiert, warum der vorliegende Gesetzentwurf den Tod für die Online-Wirtschaft bedeutet. So albern HZM oft ist, hier wird mit ein bisschen Auskennen in technischer Funktionsweise des Netzes und ein wenig psychologischem Einfühlungsvermögen in die Akteure (beim BKA, bei Usern, bei Firmen etc.) aufgezeigt, was für eine negative Lawine für die Internetwirtschaft das alles auslösen könnte. Ist alles recht nachvollziehbar und jenseits von Verschwörungstheorie, kann man sich also mal in Ruhe anhören: HZM #053 – Direktlink zum mp3.

Was mir jedoch Sorgen macht, all die Stunden nach der Anhörung, ist die sogenannte „Internetgemeinde“. Also, dieses wir jetzt. Da gibt es politische Agitatoren, da gibt es Marketing- und PR-Berater, da gibt es Infobroker und Infojunkies, da gibt es Multiplikatoren und Masse. Ist bislang gut gelaufen, der Meinungsfeldzug. Und ein toller Proof of Dings, dass es möglich ist, über das Internet gesellschaftliche Meinung zu vernetzen. Ich würde nur zu gern begrüßen, wir würden es schaffen, nicht immer im eigenen Saft zu schmoren. Und vor allem: etwas mehr Nachdenken, etwas weniger Geschwindigkeit mit dem Meinunghaben.

Denn mal ganz ehrlich. Ich finde, wir klingen alle in unserer Ohnmacht genau so wie damals, als Johnny und Sascha kein iPhone vom Telekom-Laden bekommen haben: wie kleine Jungs, denen ihr Spielzeug verwehrt wird. Ich würde es begrüßen, wenn wir alle, jeder für sich, mal etwas weniger Stammtisch, etwas weniger Schuljungen-Politisierung, etwas weniger Emotionalisierung gegenüber der Sache an den Tag legen könnten. Denn sonst werden wir als Bürger (und Wähler) natürlich nicht ernst genommen.

Damit meine ich konkret:
– wer über #zensursula verärgert ist, sollte nicht im nächsten Atemzug die kollektive oder von oben verordnete Zensur von unliebsamen politischen Parteien auf Twitter oder Facebook fordern.
– mehr Abstraktionsvermögen: nur weil jetzt gerade Dich ein politischer Vorgang das erste mal in deinem Leben so richtig vehement interessiert, heisst das noch lange nicht, dass all das diverse Gesellschaft um dich rum das genau so sieht. Es ist richtig, dass das BundestagsTV mitten in der Anhörung den Stream abschaltet, egal was die Quote sagt. Das hat nichts mit Quote zu tun. Das ist nicht Zensur, wie einige überschwänglich behaupteten. Programm ist Programm und das beruht beim BundestagsTV auf dem Gleichbehandlungsprinzip. Genauso wie die Redner im Bundestag formal gleiche Rededauer haben.
– Willkommen in der Realität: Es ist nicht alles einen Klick entfernt (so schön es wäre). Das Internet, ach was soll’s … Nur weil Du neulich noch Deine Stimme bei der Online-Petition gegen den Gesetzentwurf abgegeben hast, heisst es nicht, dass der Bundestag innerhalb von 2 Werktagen über amazon.de dir dein neues Gesetz ins Haus schickt. Ich spreche damit jene Ungeduld an, die ich bei vielen Onlinern beobachte, das dieser gefährliche Gesetzentwurf endlich kippen möge. Ja, klar. Aber was dann? Ist doch klar: Dann kommt der nächste Regulierungsversuch.

Man muss sowas auch immer in größeren Rahmen denken. Regulierung von Medien war schon immer ein spannendes, gesellschaftliches Kräftemessen. Ich hab mich beispielsweise mal mit der Filmzensur in den USA beschäftigt (das da mit den Sonderzeichen, achachach, ein Datenbankumzug …). Klingt staubtrocken, ist aber eine Hammersache! In der Filmindustrie ist es z.B. so, dass es immer wieder auf der politischen Agenda steht, ob bestimmte Inhalte reguliert werden sollen und in welcher bildlichen Form was dargestellt werden darf. Da hacken sich dann die Lobbyisten die Augen aus. Bislang hat unsere Internetgeneration so etwas noch nicht erlebt (ausser vielleicht im Kulturkampf der 1980er). Wir erleben gerade erst eine der untersten Stufen der Regulierungsbestrebungen eines neuen Mediums, oder einer neuen Kommunikationstechnik, wie es das Internet heute für uns ist. Das wird Zeit unseres Lebens so weitergehen. Daran sollten wir uns gewöhnen und eine reflektierte, wie wache Haltung einnehmen. Keine Schnellschüsse, wie die der Zensursula, sondern stetiger Tropfen.

Es ist schon sehr auffällig, dass das Innenministerium sich derzeit so bedeckt hält. Erstmal müssen die Damen und Herren mit den weichen Ministerfächern ran: „Komm Ursula, das mit den Kinderpornos im Internet, dass überlassen wir dir …“ Der Nächste steht schon vor der Tür: Kulturstaatsminister macht sich für Internetsperren bei Urheberrechtsverletzungen stark. Ich bin gespannt, welche Milchkuh der Landwirtschaftsminister durchs Dorf treiben wird dürfen.

Liebe (meine) Eltern, um es zusammen zu fassen: das was die Regierung derzeit an Maßnahmen der Volksüberwachung plant, ist alles ein bisschen krasser, als die Sache mit der Volksabstimmung in den 1980ern, gegen die ihr so protestiert hattet. Mutter, Deine Karstadt-Kundenkarte weiss heute mehr über dich, als dir damals lieb war. Deswegen möchte ich all jenen empfehlen, die es noch nicht getan haben, diese Online-Petition gegen die Internetzensur zu unterzeichnen, denn Politik besteht aus Zahlen und aus Quote. Und in den nächsten 150 Jahren werden weitere Petionen gegen ähnliche Gesetzentwürfe folgen, bitte auch unterzeichnen. Es geht in erster Linie nicht um Kinderpornographie. Es geht um die Einführung von Mechanismen jenseits des Rechtsstaates, mit denen pauschal das Abrufen von unliebsamen Inhalten gesperrt und überwacht werden könnte.

Danke.

Wenn man ein Kind hat und sich mit dem Kind auseinandersetzt und viel beobachtet, kommt einem der ganze verflixte Kram wieder hoch, den man eigentlich mal an sich verändern wollte, aber aus Bequemlichkeit doch besser nur so ein bisschen verdrängt hat. Und auf einmal tritt das alles wieder los und du bist gefordert. Auf dem Spielplatz willst du gegenüber Bratznasen nicht mehr so reagieren, wie du immer gegenüber Bratznasen reagiert hast. Das hört nie auf im Leben mit dem Sich-Durchsetzen. Muss man immer … überlegen wo man hin will, gucken wie man dahin kommt und wer einem da im Weg steht.

So jedenfalls seh‘ ich das alles gerade.

„… das, was alle immer gemacht haben. Dem man dann automatisch aus dem Weg geht, um der Enttäuschung vorzubeugen und sich irgendwann mit diesem kranken Automatismus selbst ins Knie schießt, wenn es wirklich wichtig ist.“